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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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sprangen, und tat sie ab mit Kehlschnitt, indem er dem Hüter zurief, es sei für die Herrin. Er ließ ihr Blut hinlaufen vor Gott, warf sie sich über die Schulter an den Hinterbeinen und ging heimwärts, pochenden Herzens. Sie hingen ihm hinten über den Hemdrock, mit ihren noch kindlichen Köpfchen, den geringelten Hörnchen, gespaltenen Schnauzen und verglasten Augen, – früh geopfert, zu Großem bestimmt. Rebekka stand schon und winkte.
    »Schnell«, sagte sie, »alles ist vorbereitet.«
    Es war ein Herd unter ihrem Dach, aus Steinen gebaut, auf dem schon ein Feuer brannte unter dem Bronzetopf, und war da alles Zubehör der Küche und Wirtschaft. Und die Mutter nahm ihm die Böcklein ab und begann eilig, sie abzuhäuten und zu zerlegen, und hantierte groß und rüstig am flammenden Herd mit der Gabel, rührte, streute und richtete an, und es war Schweigen zwischen ihnen während all dieses Tuns. Da aber das Essen noch kochte, sah Jaakob, wie sie hervortat aus ihrem Kasten gefaltete Kleider, Hemd und Kittel. Das waren Esau’s Festkleider, die sie verwahrte, wie Jaakob erkannte; und er erbleichte wieder. Danach sah er sie die Felle der Böcklein, die an der Innenseite noch feucht und klebrig waren vom Blute, mit dem Messer in Stücke und Streifen zerschneiden und zitterte bei diesem Anblick. Aber Rebekka hieß ihn den langen Hemdrock mit halblangen Ärmeln, den er in jener Zeit alltäglich zu tragen pflegte, ausziehen und zog ihm über die glatten, zitternden Glieder das kurze Untergewand seines Bruders und darüber den feinen blau und roten Wollrock, der nur über eine Schulter ging und die Arme bloß ließ. Dann sprach sie: »Nun komm her!« Und legte ihm, während ihre Lippen sich in leisen Worten bewegten und die energischen Falten zwischen ihren Brauen feststanden, die Fellstücke überall an, wo er bloß und glatt war, um Hals und Arme, um die Unterschenkel und auf die Rücken der Hände, und band sie fest mit Fäden, obgleich sie ohnedies schon klebten auf die unangenehmste Weise. Sie murmelte:
    »Ich wickle das Kind, ich wickle den Knaben, vertauscht sei das Kind, verwandelt der Knabe, durch die Haut, durch das Fell.«
    Und murmelte abermals:
    »Ich wickle das Kind, ich wickle den Herrn, es taste der Herr, es esse der Vater, dir müssen dienen die Brüder der Tiefe.«
    Darauf wusch sie ihm eigenhändig die Füße, wie sie es wohl getan, als er klein war, nahm dann Salböl, das nach der Wiese duftete und nach den Blumen der Wiese und das Esau’s Salböl war, und salbte ihm den Kopf und danach die gewaschenen Füße, indem sie zwischen den Zähnen sprach:
    »Ich salbe das Kind, ich salbe den Stein, es esse der Blinde, zu Füßen, zu Füßen müssen dir fallen die Brüder der Tiefe.«
    Dann sagte sie: »Es ist geschehen«, richtete, während er unbeholfen, verstört und tierisch angetan, aufstand, mit gespreizten Armen und Beinen dastand und mit den Zähnen schnatterte, das gewürzte Fleischgericht im Napfe an, tat auch Weizenbrot hinzu und goldklares Öl, das Brot hineinzutauchen, und einen Krug Weins, gab ihm alles in Hand und Arm und sagte: »Nun geh deines Wegs!«
    Und Jaakob ging, beladen, behindert und breitbeinig, in Furcht, die häßlich klebenden Felle möchten sich unter den Fäden verschieben, hoch pochenden Herzens, verzogenen Angesichts und mit niedergeschlagenen Augen. Viele sahen ihn vom Gesinde, wie er so durchs Gehöfte ging, hoben die Hände und wiegten schnalzend die Köpfe, küßten auch wohl ihre Fingerspitzen und sagten: »Siehe, der Herr!« Also kam er vor des Vaters Zelt, legte den Mund an den Vorhang und sprach:
    »Ich bin’s, mein Vater. Darf dein Knecht seinen Fuß heben zu dir hinein?«
    Aus dem Grunde der Wohnung aber kam Isaaks Stimme wehleidigen Tones:
    »Wer bist du denn aber? Bist du nicht etwa ein Strauchdieb und eines Strauchdiebes Sohn, daß du vor meine Hütte kommst und sagst Ich von dir? Ich kann ein jeder sagen, aber wer’s sagt, darauf kommt’s an.«
    Jaakob antwortete und klapperte nicht mit den Zähnen, da er sie beim Sprechen zusammenbiß:
    »Dein Sohn ist’s, der Ich sagt und hat dir gejagt und angerichtet.«
    »Das ist was anderes«, erwiderte Jizchak von innen. »So komm herein.«
    Da trat Jaakob in das Halbdunkel des Zeltes, in dessen Hintergrund eine erhöhte und bedeckte Lehmbank lief, auf der lag Jizchak, in seinen Mantel gehüllt, die getränkten Läppchen auf den Augen, und lag auf einer Kopfstütze mit bronzenem Halbring, die ihm das Haupt erhob.

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