Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
Er fragte wieder:
»Wer bist du also?«
Und Jaakob antwortete mit versagender Stimme:
»Ich bin Esau, der Rauhe, dein größerer Sohn, und habe getan, wie du geheißen. Sitz auf, mein Vater, und stärke deine Seele; hier ist das Essen.«
Aber Isaak saß noch nicht auf. Er fragte: »Wie, so bald schon ist dir ein Wild begegnet und so rasch schon eines gerannt vor deines Bogens Sehne?«
»Der Herr, dein Gott, hat mir Jagdglück beschert«, antwortete Jaakob, und nur einzelne Silben bekamen Stimme, die anderen waren geflüstert. Er sagte aber »Dein Gott« von Esau’s wegen; denn Isaaks Gott war nicht Esau’s Gott.
»Wie ist mir denn aber?« fragte Isaak wieder. »Deine Stimme ist ungewiß, Esau, mein Ältester, aber sie klingt mir wie Jaakobs Stimme?«
Da wußte Jaakob nichts zu antworten vor Angst und zitterte nur. Aber Isaak sprach milde:
»Die Stimmen von Brüdern gleichen sich wohl, und die Worte kommen verwandt und gleichlautend aus ihren Mündern. Komm her, du, daß ich dich befühle und sehe mit sehenden Händen, ob du Esau seist, mein Ältester, oder nicht.«
Jaakob gehorchte. Er stellte alles nieder, was ihm die Mutter gegeben, trat nahe und bot sich zum Tasten dar. Und aus der Nähe sah er, daß der Vater sich die Läppchen mit einem Faden am Kopfe festgebunden hatte, damit sie nicht abfielen, wenn er aufsäße, gerade wie Rebekka an ihm befestigt hatte die unangenehmen Felle.
Isaak fuhr ein wenig mit gespreizten, spitzfingrigen Händen in der Luft umher, bevor er auf Jaakob traf, der sich darbot. Dann fanden ihn seine mageren, blassen Hände und fühlten umher, wo kein Kleid war, an den Hals, über die Arme und Handrücken hin zu den Schenkeln hinab und rührten überall an das Bocksfell.
»Ja«, sagte er, »allerdings, das muß mich wohl überzeugen, denn es ist dein Vlies und sind Esau’s rote Zotteln, ich seh’s mit sehenden Händen. Die Stimme ist ähnlich wie Jaakobs Stimme, aber die Behaarung ist Esau’s, und die ist das Ausschlaggebende. Du bist also Esau?«
Jaakob antwortete:
»Du siehst und sagst es.«
»So gib mir zu essen!« sprach Isaak und saß auf. Der Mantel hing ihm über den Knien. Und Jaakob nahm den Eßnapf und kauerte zu des Vaters Füßen und hielt ihm den Napf. Aber Isaak beugte sich erst noch darüber, die Hände zu beiden Seiten auf Jaakobs befellten Händen, und beroch das Gericht.
»Ah, gut«, sagte er. »Gut bereitet, mein Sohn! In saurem Rahm ist’s, wie ich befohlen, und Kardamom ist daran, auch Thymian, sowie etwas Kümmel.« Und er nannte noch mehr Zutaten, die angewandt waren und die seine Nase unterschied. Dann nickte er, griff zu und aß.
Er aß alles auf, es dauerte lange.
»Hast du auch Brot, Esau, mein Sohn?« fragte er kauend.
»Das versteht sich«, antwortete Jaakob. »Weizenfladen und Öl.«
Und er brach vom Brote, tauchte es in Öl und führte es dem Vater zum Munde. Der kaute und nahm wieder Fleisch hinzu, strich sich den Bart und nickte beifällig, während Jaakob hinauf in sein Gesicht blickte und es beim Essen betrachtete. Es war so zart und durchsichtig, dies Gesicht mit den feinen Wangenhöhlen, denen der spärliche graue Bart entkeimte, und der groß und gebrechlich gebauten Nase, deren Nüstern dünn und weit waren und deren gebogener Rücken eines geschliffenen Messers Schneide glich, – so heilig-geistig erschien es trotz den deckenden Läppchen, daß das Kauen und bedürftige Mahlzeiten gar nicht recht dazu passen wollte. Man schämte sich etwas, dem Esser beim Essen zuzusehen, und meinte, er müsse sich schämen, sich dabei zusehen zu lassen. Aber es mochte wohl sein, daß die deckenden Läppchen ihn schützten vor solchem Unbehagen, und jedenfalls kaute er gemächlich mit seinem gebrechlichen Unterkiefer im dünnen Barte, und da nur vom Besten im Napfe war, ließ er überhaupt nichts liegen.
»Gib mir zu trinken!« sagte er dann. Und Jaakob beeilte sich, ihm den Weinkrug zu reichen und ihn selbst dem vom Essen Durstigen an die Lippen zu führen, während dessen Hände auf den Pelzchen von Jaakobs Handrücken lagen. Wie aber Jaakob dem Vater so nahe kam, roch dieser mit seinen weiten dünnen Nüstern die Narde in seinem Haar und den Feldblumengeruch seines Kleides, setzte noch einmal ab und sagte:
»Wahrlich, es ist geradezu täuschend, wie meines Sohnes gute Kleider immer duften! Genau wie Wiese und Feld im jungen Jahr, wenn der Herr sie weithin mit Blumen gesegnet hat zur Lust unserer Sinne.«
Und er hob mit zwei spitzen
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