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Josephine Mutzenbacher

Josephine Mutzenbacher

Titel: Josephine Mutzenbacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josefine Mutzenbacher
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junger Mann und besaß eine strenge Miene, vor der ich mich ebenso sehr fürchtete, wie vor seiner mächtigen Nase. Diesmal aber wollte ich aufrichtig alles gestehen.
Die Kirche war voll Kinder, und es wurde an drei Beichtstühlen gebeichtet. Ich kam zu einem ältlichen fetten Kooperator, mit einem großen runden Gesicht. Ich kannte ihn nur vom Sehen, und er schien mir nachsichtig zu sein, weil er immer so freundliche Mienen machte. Zuerst beichtete ich meine kleinen Sünden. Doch er unterbrach mich mit der Frage: »Hast vielleicht gar Unkeuschheit getrieben?« Zitternd sprach ich: »Ja ...«
Er legte seine harten Wangen dicht an das Gitter und fragte: »Mit wem ...?«
»Mit dem Franzl...«
»Wer ist das?«
»Mein Bruder ...«
»Dein Bruder . ..? So! Und vielleicht noch mit wem?« »Ja...«

»Also...?«
»Mit dem Herrn Horak ...«
»Wer ist das?«
»Der Bierversilberer in unserm Haus.«
»Mit wem noch ...?« Seine Stimme bebte.
Ich mußte das ganze Namensregister herzählen. Er rührte sich nicht, als ich fertig war. Nach einer Pause fragte er: »Wie hast du Unkeuschheit getrieben ...?« Ich wußte nicht, was ich antworten sollte. Da herrschte er mich an: »Also wie habt ihr’s denn gemacht?« »Mit..., na ...«, stotterte ich, »mit dem, was ich zwischen den Beinen ...»
Er schüttelte den Kopf: »Habt ihr gevögelt...?« Mir kam das Wort aus seinem Mund merkwürdig vor, aber ich sagte: »Ja ...«
»Und hast du’s auch in den Mund genommen ...?« »Ja.«
»Und hast du dir’s auch in den Arsch stecken lassen?« »Ja.«
Er schnaufte und seufzte und sagte: »Ach Gott, ach Gott, mein Kind ..., Todsünden .. ., Todsünden ...«
Ich war ganz weg vor Angst. Er aber meinte: »Da muß ich alles wissen, hörst du? Alles!« Nach einer Weile fuhr er fort. »Das wird aber eine lange Beicht werden ..., und die ändern Kinder warten ..., bleibt nix übrig, als daß du extra beichten kommst, verstehst?«
»Ja, Hochwürden ...«, stammelte ich.
»Gleich nachmittag, so um zwei kommst zu mir.« Ich verließ verzweifelt den Beichtstuhl. »Bis dahin«, sagte mir der Kooperator Mayer noch zum Schluß, »bis dahin erinner’ dich an alles. Denn wenn du nicht alles beichten wirst, hilft dir die Absolution nicht...«
Ich schlich beklommenen Herzens nach Hause, setzte mich nieder und dachte krampfhaft nach und ließ mir alles, was ich getan hatte, wieder einfallen. Vor der Beichte im Zimmer des Kooperators hatte ich eine große Angst und fürchtete mich vor der Buße, die er mir auferlegen werde. Als es aber Zeit war, und ich gehen mußte, fragte mich mein Bruder Lorenz, wohin ich in dem schönen Kleid wolle, und da sagte ich stolz: »Zum Herrn Kooperator Mayer muß ich ..., er hat mir’s geschafft, daß ich hinkommen soll.« Lorenz sah mich mit einem sonderbaren Blick an und ging. Es war Sommer, aber im großen Pfarrhaus umfing mich eine heilige Kühle und eine Stille, die mir Ehrfurcht einflößte. Ich las an den Türen die Namensschilder und klopfte an die Tür, auf der »Kooperator Mayer« stand. Er öffnete mir selbst. Er war in Hemdsärmeln und seine schwarze Weste war aufgeknöpft, so daß sein ungeheurer Bauch hervorquoll.
Jetzt, da ich ihn außerhalb des Beichtstuhles zum erstenmal wiedersah und sein dickes, rotes Pfaffengesicht mir Respekt erregte und mir außerdem einfiel, daß er von mir das viele wußte, trieb mir die Beschämung und die Angst das Blut ins Gesicht.
»Gelobt sei Jesus Christus ...«
»In Ewigkeit...«, antwortete er. »Da bist du ja ...« Ich küßte seine fleischige, warme Hand und er versperrte die Tür. Wir traten durch ein kleines, dunkles Vorgelaß in sein Zimmer. Es ging auf den Friedhof. Die Fenster standen offen, und die grünen Baumwipfel versperrten jede Aussicht. Das Zimmer war breit und ganz weiß gestrichen. Ein großes Kruzifix hing schwarz an der einen Wand, davor stand ein Betschemel. An der anderen Wand stand ein Eisenbett, eine gesteppte Decke war darübergebreitet. Ein breiter Schreibtisch nahm die Mitte ein, mit einem riesigen, schwarzledernen Armsessel.
Der Kooperator zog seine Soutane an, und knöpfte sie zu. »Komm«, sagte er.
Wir traten an das Betpult, knieten nebeneinander nieder und sprachen ein Vaterunser.
Dann führte er mich an der Hand zum Großvaterstuhl, setzte sich hinein, und ich stand vor ihm gegen die Schreibtischkante fest angelehnt.
»Na«, sagte er, »also ich höre ...«
Ich schwieg aber und wußte nicht, wie anfangen vor Verwirrung.
»Also erzähl...«
Ich schwieg

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