Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
werde sich im Senat der Opposition anschließen. Statt dessen hatte er sich dem Kaiser verschworen. Er war reich, es geschah nicht um des ausgesetzten Gewinnes willen, wenn er den oder jenen, auch Freunde und Verwandte, eines Majestätsverbrechens bezichtigte: er tat es aus Lust am Verderb. Er war blind, dieser Messalin, doch niemand konnte besser als er verborgene Schwächen aufspüren, niemand besser aus unverfänglichen Äußerungen verfängliche, aus harmlosen Handlungen verbrecherische machen. An wessen Spuren sich der blinde Messalin heftete, der war verloren, wen er anklagte, gerichtet. Sechshundert Mitglieder zählte der Senat, ihre Haut war dick und hart geworden in diesem Rom des Kaisers Domitian, sie wußten, daß, wer sich da behaupten wollte, ohne ein robustes Gewissen nicht durchkam. Wenn aber der Name Messalin fiel, dann verzogen selbst diese abgebrühten Herren den Mund. Der blinde Mann legte Wert darauf, nicht an seine Blindheit erinnert zu werden, er hatte gelernt, seinen Weg im Senat ohne Führer zu finden, er ging durch die Bänke an seinen Platz allein und als sähe er. Alle hatten sie dem bösen, gefährlichen Mann etwas heimzuzahlen, den Untergang eines Verwandten, eines Freundes, alle hatten sie Lust, ihn an ein Hindernis anrennen zu lassen, daß er an seine Blindheit gemahnt werde. Doch keiner wagte es, dieser Lust zu folgen, sie wichen ihm aus, sie räumten ihm die Hindernisse aus dem Weg.
Hinter vier Namen also setzte schließlich der Kaiser den Buchstaben M.
Damit war dieser Gegenstand erledigt, und eigentlich, fand Norban, hätte ihn DDD jetzt ruhig wieder in sein Bett zurücklassen können. Doch der Kaiser behielt ihn weiter da, und Norban wußte auch, warum. DDD möchte zu gern etwas über Lucia hören, möchte zu gerne von ihm erfahren, was Lucia getrieben hat auf ihrer Verbannungsinsel Pandataria. Aber das hat er sich verscherzt. Da hätte er ihn vorhin nicht so anschreien dürfen. Jetzt wird sich Norban hüten, er wird sich keiner weiteren Majestätsverletzung schuldig machen. Er wird seinem Kaiser auf vornehme Art beibringen, sich zu beherrschen.
Domitian brannte denn auch wirklich vor Begier, den Norban auszufragen. Aber so wenig Geheimnisse er vor dem Mann hatte, er schämte sich, nun es um Lucia ging, und die Frage wollte ihm nicht über die Lippen. Norban seinesteils aber schwieg tückisch und beharrlich weiter.
Statt ihm von Lucia zu sprechen, erzählte er dem Kaiser, da ihn dieser nun einmal nicht entließ, allerlei Gesellschaftsklatsch und kleine politische Begebenheiten. Auch von der verdächtigen Geschäftigkeit erzählte er ihm, die man seit dem Ausbruch der östlichen Wirren im Hause des Schriftstellers Flavius Josephus wahrnahm, ja er konnte eine Abschrift des von Josef verfaßten Manifestes vorlegen. »Interessant«, sagte Domitian, »sehr interessant. Unser Josef. Der große Historiker. Der Mann, der unsern jüdischen Krieg für die Nachwelt beschrieben und aufbewahrt hat, der Mann, in dessen Hände es gelegt ist, Ruhm und Schande zu verteilen. Für die Taten meines vergotteten Vaters und meines vergotteten Bruders hat er allerhand rühmende Worte gefunden, mich hat er spärlich behandelt. Also zweideutige Manifeste verfaßt er jetzt. Sieh an, sieh an!«
Und er gab dem Norban Auftrag, den Mann weiter zu beobachten, aber vorläufig nicht einzugreifen. Er wird sich, und wahrscheinlich noch vor seiner Abreise, diesen Juden Josef selber vornehmen; seit langem hat er Lust darauf, einmal wieder mit ihm zu sprechen.
Lucia, die Kaiserin, war wirklich am späteren Nachmittag in Alba eingetroffen. Sie hatte erwartet, Domitian werde sie begrüßen. Daß er es nicht tat, amüsierte sie eher, als daß es sie verdrossen hätte.
Jetzt, während sie, ohne daß man ihren Namen nannte, die Unterredung Domitians mit Norban beherrschte, hielt sie Tafel in vertrautem Kreis. Von den Geladenen hatten nicht alle zu kommen gewagt; wenn der Kaiser Lucia auch zurückgerufen hatte, man wußte noch nicht, wie er es aufnehmen werde, wenn man bei ihr speiste. Man war vor finstern Überraschungen niemals sicher; es war vorgekommen, daß der Kaiser, wenn er jemand endgültig verderben wollte, ihm gerade vor dem Ende besondere Freundlichkeit zeigte.
Diejenigen, die an der Abendtafel der Kaiserin teilnahmen, gaben sich fröhlich, und Lucia selber war bester Laune. Nichts war ihr anzumerken von den Strapazen der Verbannung. Groß, jung, strotzend saß sie da, die weit
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