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Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Titel: Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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und Begier, erwartete er die Unterredung, die er morgen mit Lucia haben wird. Er schliff sich Sätze zurecht, mit denen er sie treffen wird, er, der großmütige Domitian, der Gott, die Sünderin, die er in Gnaden wieder aufnimmt. Aber er wußte zuvor, sie wird, und wenn er noch so treffende Sätze für sie findet, nur lächeln, und schließlich wird sie lachen, ihr volles, dunkles Lachen, und ihm etwas antwor ten wie: Komm, komm, Wäuchlein, und hör jetzt schon auf, und was immer er sagen oder tun wird, sie ist von solcher Beschaffenheit, daß er ihr keine Angst wird einflößen können. Denn während die andern, seine frechen Aristokraten, vielleicht gerade weil sie so alten Geschlechtern entstammen, dünnblütig geworden sind, kraftlos, lebt in ihr, in Lucia, in Wahrheit das Strotzende, die Kraft der alten Patrizier. Er haßte Lucia um dieser ihrer stolzen Kraft willen, aber er brauchte sie, er vermißte sie, wenn sie nicht da war. Er sagte sich, sie sei die leibgewordene Göttin Rom, nur deshalb brauche und liebe er sie. Aber was er brauchte und liebte, das war einfach Lucia, die Frau, nichts sonst. Er wußte, er kann nicht ins Feld gehen, ehe er nicht die kleine Narbe unter ihrer linken Brust geküßt haben wird, und wenn sie ihn sie küssen läßt, dann wird das ein Geschenk sein. Ach, ihr kann man nichts befehlen, sie lacht; unter allen Lebenden, die er kennt, ist sie die einzige, die den Tod nicht fürchtet. Sie liebt das Leben, sie nimmt vom Augenblick alles, was er geben kann, aber gerade deshalb hat sie keine Angst vor dem Tod.

    Für den andern Morgen in aller Frühe hatte der Kaiser die vertrautesten seiner Minister zu einem geheimen Kabinettsrat geladen. Die fünf Herren, die sich im Saal des Hermes versammelten, waren unausgeschlafen, sie hätten es alle vorgezogen, länger liegenzubleiben, aber wenn es auch vorkam, daß einen der Kaiser endlos warten ließ, wehe dem, der es gewagt hätte, selber unpünktlich zu sein.
      Annius Bassus, in seiner offenen, lärmenden Art, packte vor Claudius Regin seine Sorgen aus um den bevorstehenden Feldzug; offenbar wollte er, daß ihn Regin beim Kaiser unterstütze. Einesteils, meinte er, halte es DDD für seiner, des Gottes, nicht würdig zu sparen, so daß die Hofhaltung, vor allem die Bauten, auch in seiner Abwesenheit viel Geld verschlinge, andernteils lege er – eine Erbschaft, die er vom Vater überkommen – Gewicht darauf, ungedeckte Ausgaben unter allen Umständen zu vermeiden. Was dabei zu kurz komme, das sei die Kriegführung. Man werde, fürchte er, den Generälen an der Donaufront nicht genügend Truppen und Material zur Verfügung stellen, und was dann an Kräften und Mitteln fehle, das werde, und das sei die Hauptgefahr, der Oberkommandierende Fuscus durch Mut auszugleichen suchen.
      »Nein, einfach ist der Staatshaushalt nicht«, erwiderte seufzend Regin, »mir, mein Annius, brauchen Sie das nicht zu sagen. Ich habe da gestern ein Gedicht erhalten, das mir der Hofdichter Statius gewidmet hat.« Und grinsend über das ganze, unordentlich rasierte, fleischige Gesicht, ironisch blinzelnd mit den schweren, schläfrigen Augen, zog er aus dem Ärmel seines Staatskleides das Manuskript; mit den dicken Fingern hielt er das kostbare Gedicht, und mit seiner hellen, fettigen Stimme las er: »Anvertraut dir allein ist die Verwaltung der geheiligten Schätze des Kaisers, die Reichtümer, erzeugt von allen Völkern, das Einkommen der gesamten Welt. Was immer Iberien aus seinen Goldbergwerken herausbricht, was immer glänzt innerhalb der Höhen Dalmatiens, was immer eingebracht wird von Libyens Ernten, was immer düngt der Schlamm des erhitzten Nilflusses, was immer an Perlen die Taucher der östlichen See ans Licht fördern und erjagen an Elfenbein die Jäger am Indus: dir als einzigem Verwalter ist es anvertraut. Wachsam bist du, scharfäugig, und mit sicherer Schnelle errechnest du, was täglich erfordern unter jeglichem Himmel die Armeen des Reichs, was die Ernährung der Stadt, was die Tempel, die Wasserleitungen, was des ungeheuren Straßennetzes Unterhalt. Unze für Unze kennst du Preis, Gewicht und Legierung jeglichen Metalls, das sich, aufstrahlend im Feuer, wandelt in Bilder der Götter, in Bilder der Kaiser, in römische Münze.« – »Der Mann, von dem da die Rede ist, bin ich«, erläuterte grinsend Claudius Regin, und es war wirklich ein wenig komisch, den schlampigen, skeptischen, unprätentiösen Herrn mit den erhabenen Versen zu

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