Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
mehr, als daß sie half. Und der Wohlstand des Gutes war menschlicher Voraussicht nach gesichert; denn alles, was hier im Umkreis der Provinzhauptstadt Cäsarea liegt, wird von der römischen Regierung begünstigt. Freilich ist die Gegend zumeist von Syrern und ausgedienten römischen Soldaten besiedelt, und die nicht zahlreichen Juden sehen unfreundlich auf Josef und ergehen sich in Stichelreden über die Gunst, deren er sich, selbst unter diesem Kaiser Trajan, bei den Römern erfreut. Mara zöge es vor, im eigentlichen Judäa zu leben statt hier unter den »Heiden«, auch Daniel leidet unter dem Mißtrauen und dem Hohn der jüdischen Siedler. Gleichwohl haben seine Frau und sein Sohn viel Freude an dem Gedeihen des Gutes, gewiß mehr Freude als er selber.
Mara hat den Verlust des Matthias ruhiger hingenommen, als er erwartet hatte; sie hat ihn nicht verflucht und keine wilden Reden geführt. Aber das Band zwischen ihnen ist gerissen. Innerlich hat sie sich von ihm losgesagt als von dem Mörder ihrer beiden Söhne, sie sieht in ihm nicht mehr einen Gesegneten des Herrn, sondern einen Geschlagenen, einen Unheilbringer. Allein sie ist ihm so fern, daß sie mit ihm darüber nicht einmal mehr rechtet. Sie leben gelassen, in freundlicher Fremdheit nebeneinanderher.
Auch zwischen ihm und seinem Sohn Daniel ist es nicht so, wie es sein sollte. Nicht nur bedrückt den Daniel die Meinung der jüdischen Siedler über seinen Vater, sondern er schlägt auch mit seinem ganzen Wesen mehr der Mutter nach, er hat ihre Gelassenheit und höfliche Zurückhaltung. Er ist ein untadeliger Sohn, aber er hat Scheu vor dem heftigen, unverständlichen Vater, und Josefs Versuche, sein Vertrauen zu gewinnen, sind fehlgeschlagen.
So lebt Josef recht allein inmitten der geordneten Tätigkeit seines Gutes. Er schreibt, er verbringt viel Zeit über seinen Büchern. Zuweilen auch macht er sich auf den Weg, Freunde aufzusuchen; er fährt etwa nach Jabne zu dem Großdoktor oder, wie jetzt, nach Gischala zu Johann. Er hat viele Freunde im Land, er genießt seit dem »Apion« bei der Mehrzahl der Juden Verehrung. Doch es bleibt eine Verehrung ohne Wärme, man hat seine frühere zweideutige Haltung nicht vergessen. Er lebt in Judäa wie ein Fremder unter seinem Volke.
In der letzten Zeit hat ihn Rastlosigkeit gepackt. Er schiebt die Schuld auf die Unsicherheit der politischen Lage. Denn der große Ostfeldzug, den der kriegerische Kaiser Trajan rüstet, bedroht auch Judäa von neuem. Aber die Gründe, die Josef aus dem Frieden seines Gutes Be’er Simlai fortjagen, liegen in ihm selber. Es ist wie in seiner Jugend, es ist wie in der Zeit, da er dichtete:
Reiße dich los von deinem Anker, spricht Jahve.
Ich liebe nicht, die im Hafen verschlammen.
Ein Greuel sind mir, die verfaulen im Gestank ihrer
Trägheit.
Ich habe dem Menschen Schenkel gegeben, ihn zu tragen
über die Erde,
Und Beine zum Laufen,
Daß er nicht stehen bleibe wie ein Baum in seinen Wurzeln.
Er hält es nicht mehr aus in Be’er Simlai. Er ist aufgebrochen, um mit unbestimmtem Ziel durch Judäa zu reisen, hierhin, dorthin; erst am Vorabend des Passahfestes, also nicht vor drei Wochen, will er wieder auf seinem Gut zurück sein.
Nun also ist er bei Johann. Johann ist viel kürzer im Land als er selber. Johann ist seinem Vorsatz treu geblieben und hat Rom und seine römischen Geschäfte erst verlassen, als er sich der Herrschaft sicher glauben durfte über sein vaterlandsheißes Herz. Er hat auch während der fünf Jahre, die er in Judäa lebt, tapfer der Versuchung widerstanden, die »Eiferer des Tages« zu fördern. Er hat sich in dieser Zeit damit beschäftigt, seine Heimatstadt, die uralte, kleine Bergstadt Gischala, reich und stattlich wieder aufzubauen, denn sie ist zuerst im großen jüdischen Krieg und dann beim Aufstand der »Eiferer« ein zweites Mal zerstört worden. Vor allem aber hat er sein eigenes großes Gut bei Gischala zu einer Musterwirtschaft gemacht.
Da gehen sie herum, die beiden alten Herren, und Johann zeigt dem Freunde, was er neu eingerichtet hat in seinen Maulbeer-, Öl- und Weinpflanzungen. Eine helle, junge, freundliche Vorfrühlingssonne ist da, die beiden erfreuen sich ihrer; aber wenn man warm bleiben will, dann muß man sich Bewegung machen. Sie gehen also rasch drauflos, Josef etwas gebückt, der kleinere Johann sehr aufrecht. Johann schwatzt. Er merkt, daß Josef nicht hinhört, doch er braucht keinen aufmerksamen Hörer,
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