Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
er will nur seine Freude heraussagen über das, was er da gemacht hat, und er lächelt selber ein bißchen über seine greisenhafte Geschwätzigkeit. Dann aber zuletzt lockt es ihn doch, mit Josef in eine richtige Debatte zu kommen, und mit scherzhafter Streitbarkeit beginnt er: »Sie sehen, mein Josef, mein Besitz ist gut gehalten, er ist das, was man eine Musterwirtschaft nennt. Trotzdem wirft mir diese Musterwirtschaft nichts ab, im Gegenteil, ich zahle drauf, und wenn ich sie nicht aufgebe, dann nur, weil sie mir Spaß macht. Es macht mir Spaß, sehr guten Wein, sehr gutes Öl, sehr gute Seide zu produzieren. Und jetzt, bitte, überlegen Sie weiter: wenn schon ich mit allen meinen Sondervergünstigungen bei der römischen Regierung keinen Gewinn herauswirtschaften kann, wie soll sich dann ein gemeiner Ölbauer von seinem Schweiße ernähren? Die neuen Steuern und Zölle, die Trajans Finanzminister den Ostprovinzen auflegt, bringen den kleinen Bauern einfach um. Dabei wird natürlich der angebliche Zweck nicht erreicht, denn die italienischen Weine werden auch dadurch nicht besser und nicht verkäuflicher. Für unser Judäa ist die einzige Folge, daß sich die Unruhe im Lande verstärkt.«
»Verstärkt sich die Unruhe?« fragte Josef, er war jetzt keineswegs mehr abwesend mit seinen Gedanken. Johann schaute ihn von der Seite an. »Wenn ich von meinem Galiläa auf das übrige Judäa schließe«, sagte er und lächelte, eher zufrieden als bösartig, »dann dürften die Bauern nirgends sehr zufrieden sein mit den neuen Edikten. Es ist keine Frage, daß die ›Eiferer des Tages‹ überall Boden gewinnen. Vielleicht sogar ist das der Hauptzweck, den die Römer mit ihrer merkwürdigen Finanzpolitik verfolgen. Denn ich könnte mir denken, daß, wenn Trajan seinen geplanten Ostkrieg anfängt, gewisse Militärs vorher hier in Judäa Ordnung schaffen wollen, das, was sie unter Ordnung verstehen. Und wie könnten sie das bequemer haben, als wenn sie hier einen Aufstand provozierten und dabei alle nicht ganz zuverlässigen Elemente ein für allemal abtäten? Es ist aber nicht die römische Finanzpolitik allein«, fuhr er fort. »Denn wenn ich auch nach wie vor der Überzeugung bin«, er lächelte, da er auf den Gegenstand seines ewigen Streites mit Josef zu sprechen kam, »daß bei vernünftigen Wein- und Ölpreisen weder der jüdische Krieg noch der spätere Aufruhr zustande gekommen wären, so gebe ich Ihnen doch gerne zu, daß es bei unsern jüdischen Kriegen nicht allein um die Weinpreise geht, sondern auch um Jahve. Es muß beides zum Problem geworden sein, der Markt und Jahve. Sonst kann der rechte Furor nicht entstehen.«
»Sie glauben also«, fragte Josef, »auch Jahve ist wieder zum Problem geworden?«
»Auf diesem Gebiet, Doktor Josef«, antwortete Johann, »sind Sie zuständig, nicht ich. Aber wenn Sie die Meinung eines einfachen Landjunkers wissen wollen, der seinen Jahve nicht als Theolog anschaut, sondern als ein Mann mit gesundem Menschenverstand, dann will ich sie Ihnen gerne sagen. Die Idee Jochanan Ben Sakkais, den verlorenen Staat und den verlorenen Tempel durch Jabne zu ersetzen, war ausgezeichnet, es gab damals nach dem Zusammenbruch kein anderes Mittel, den Zusammenhalt zu retten. Brauch und Lehre haben denn auch wirklich den Staat ersetzt. Allmählich aber, als eine neue Generation heranwuchs, die Staat und Tempel nicht mehr erlebt hat, kam der Sinn der Bräuche abhanden, und heute ist die Lehre zum Formelkram geworden, der Brauch erstickt den Sinn, Judäa erstickt in der Herrschaft der Doktoren, das leere Wort kann auf die Dauer Gott nicht ersetzen. Gott braucht sein Land, um Sinn und Leben zu bekommen. Sehen Sie, das ist es, was Jahve heute zum Problem macht. Richtiges neues Leben bekommen kann Jahve erst, wenn Judäa aus einem Aufenthaltsort für seine Juden wieder zum Land seiner Juden geworden sein wird. Jahve braucht einen Körper. Sein Körper ist diese Landschaft, sein Leben sind diese Olivenhaine, Weinhügel, Berge, Seen, der Jordan und das Meer, und solange Jahve und dieses Land getrennt sind, lebt weder das eine noch das andere. Verzeihen Sie, wenn ich poetisch geworden bin! Aber ein einfacher alter Junker vom Land kann sich natürlich nicht so klar ausdrücken wie Sie.«
Josef hätte über das Heidnische dieser Auffassung einiges zu sagen gehabt, aber er sagte es nicht. Statt dessen faßte er zusammen: »Da also beide Probleme, Jahve und der Markt, auf Lösung drängen,
Weitere Kostenlose Bücher