Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
so finden Sie die äußeren und die inneren Voraussetzungen eines Aufstands gegeben? Sie finden, die ›Eiferer des Tages‹ können mit gutem Grunde sagen: Der Tag ist gekommen? Ich verstehe Sie doch richtig?«
»Wie jung Sie sind mit Ihren Siebzig«, erwiderte Johann, »und wie streitbar! Aber so leicht können Sie mich nicht festlegen. Gewiß, solange diese beiden Fragen, Jahve und die Marktlage, nicht brennend geworden sind, solange ist ein Aufstand unmöglich. Das habe ich gesagt. Aber nicht habe ich gesagt, daß diese Faktoren die einzigen Vorbedingungen sind. Wenn Sie meine Ansicht haben wollen, dann ist die erste, die wichtigste Voraussetzung die, daß die militärischen Chancen eines solchen Aufstands nicht zu schlecht sind.« – »Dann bleibt also alles, was Sie gesagt haben, reine Theorie«, sagte Josef enttäuscht. Doch: »Schon wieder wollen Sie mich festlegen«, tadelte scherzend Johann. »Wie sollen wir von hier aus übersehen können, wie die militärischen Chancen der ›Eiferer‹ sind, wenn dieser Trajan wirklich seinen Ostkrieg beginnt?«
Jetzt aber wurde Josef ungeduldig. »Verurteilen Sie also, ja oder nein«, fragte er, »die Bestrebungen der ›Eiferer des Tages‹?« Allein: »Ich treibe keine praktische Politik«, wich Johann aus. »Ich habe mich, wie Sie wissen, bevor ich Rom verließ, eingehend erforscht, und erst als ich feststellte, daß mir mein Herz keinen Streich mehr wird spielen können, habe ich mir erlaubt, in mein Judäa zurückzukehren.«
Verdrossen schweigend ging Josef eine Weile neben ihm her. Bis Johann von neuem anhub: »Meine Resignation hindert mich aber nicht an gewissen Träumen. Setzen wir zum Beispiel den Fall, die ›Eiferer‹ sind nicht so vernünftig wie wir und machen selbst bei ganz geringer Chance ihren Aufstand. Könnten Sie sich dann, mein Josef, für uns ein größeres Glück denken, als wenn wir uns mitreißen ließen? Stellen Sie sich vor, wie wir beiden Wackelgreise, die wir vom Leben nichts mehr zu erwarten haben, durch einen solchen Aufstand belebt und verjüngt würden. Ich gebrauche nicht gerne starke Worte; aber in einer solchen Erhebung zugrunde zu gehen, einen großartigeren Abschluß meines Lebens könnte ich mir nicht vorstellen.«
Den Josef traf es, daß der andere derartige Gefühle so schamlos aussprach. »Sind Sie nicht sehr ichsüchtig, mein Johann?« fragte er. »Ist es nicht unerlaubt, ist es nicht einfach unanständig, sich in unserm Alter so unvernünftig jünglinghaft zu geben?« – »Sie sind furchtbar trocken geworden«, sagte kopfschüttelnd Johann. »Sie verstehen überhaupt keinen Spaß mehr. Denn natürlich hab ich nur im Spaß gesprochen. Aber wenn Sie ganz abgeklärt und bis ins Letzte gerecht sein wollen, dann müssen Sie mir zugeben: es ist nicht reine Ichsucht, wenn der Traum von einem solchen Aufstand mir das Herz wärmt. Wahrscheinlich wird eine neue Aktion der ›Eiferer‹ ebenso rasch zusammenbrechen wie ihre früheren. Aber trotzdem wird sie nicht sinnlos gewesen sein. Ich denke da an mein Problem Jahve. Ein solcher Aufstand wäre eine Mahnung, Judäa nicht zu vergessen, das Land nicht zu vergessen über dem Brauch und dem Wort. Und eine solche Mahnung ist notwendig. Der Mensch vergißt so schrecklich schnell. Es wäre gut, wenn unsere Juden einmal wieder an ihr Land erinnert würden, daran, daß es ihr Land ist. Denn sonst besteht ernstliche Gefahr, daß die Doktoren Jahve endgültig umbringen und daß Judäa in Jabne erstickt.«
»Sagen Sie mir«, drängte Josef, »sind militärische Vorbereitungen im Gang? Wissen Sie um bestimmte Pläne der ›Eiferer‹?«
Johann schaute ihn mit einem vertraulichen, pfiffigen und frechen Lächeln an, das sein Gesicht verjüngte. »Vielleicht«, antwortete er, »weiß ich etwas, vielleicht auch weiß ich nichts. Bestimmtes wissen will ich nicht, denn ich kümmere mich nicht um praktische Politik. Was ich von mir gebe, ist müßiges Gefasel, wie es wohl ein alter Mann von sich gibt vor einem Freunde, wenn ein neuer Frühling kommt und er in der guten Sonne ins Schwätzen gerät.«
Nun aber wandte sich Josef ernstlich verstimmt ab und hatte kein Wort mehr für Johann. Da stieß ihn dieser an und sagte verschmitzt: »Aber wenn ich auch nichts weiß, so kenne ich doch meine Leute, und gewisse Dinge rieche ich, so wie ich das Wetter rieche. Und darum, mein Josef, nehmen Sie einen kleinen Rat mit auf Ihren Weg! Wenn Sie jetzt im Land herumreisen wollen,
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