Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
Geschichten und an den Diabolus der Minäer. Gedauert jedenfalls hatte diese seine Versuchung durch Domitian nur sehr kurz. Schon war der Kaiser wieder nur mehr der Kaiser; die Arme eckig nach hinten, stand er da, herrscherhaft, und er sagte förmlich: »Ich danke Ihnen für Ihre interessante Vorlesung, mein Ritter Flavius Josephus. Was die Frage anlangt, die ich an Sie gerichtet habe, ob Sie ein Sproß des von Ihnen geschilderten Königs David sind, so mögen Sie sich die Antwort in Ruhe überlegen. Ich erwarte Sie in den nächsten Tagen beim Morgenempfang. Dann werde ich Sie von neuem fragen. Wo aber bleibt unser liebenswürdiger Wirt?«
Er klatschte in die Hände, und: »Wo bleibt unser Messalin?« sagte er zu den herbeistürzenden Dienern. »Ruft mir den Messalin! Wir verlangen nach ihm, ich und mein Jude Flavius Josephus.«
In diesen Tagen schrieb Josef den »Psalm vom Mut«:
Wohl rühm ich den, der in der Schlacht seinen Mann
steht.
Pferde stürmen an,
Pfeile schwirren, Eisen klirrt,
Arme mit Äxten und Schwertern sausen Ihm vorm Aug auf ihn zu.
Er aber duckt sich nicht. Er sieht den Tod, reckt sich und steht ihm.
Mut verlangt das. Doch nicht mehr Mut
Als den eines jeden, der mit Recht sich Mann nennt.
Tapfer zu sein in der Schlacht ist nicht schwer.
Überspringt da der Mut von einem zum andern.
Keiner glaubt,
Er könnte es sein, den der Tod meint.
Niemals fester glaubst du
An viele Tage des Lebens noch vor dir
Als in der Schlacht.
Höher schon steht jenem der Mut,
Der hinauszieht in ödes Land der Barbaren, Es zu erforschen,
Oder der ein Schiff steuert hinaus in die leere See, Immer weiter hinaus,
Zu sichten, ob dort nicht neues Land sei Und neue Feste.
Aber wie der Mond verbleicht, wenn die Sonne kommt,
So verblaßt der Ruhm auch dieses Mannes
Vor dem Ruhme jenes,
Der da kämpft für ein Unsichtbares.
Sie wollen ihn zwingen,
Ein Wort zu sprechen, ein körperloses, wesenloses,
Es verfliegt, sowie er’s gesprochen,
Keiner mehr hört es, es ist nicht mehr da:
Er aber sagt das Wort nicht.
Oder aber es drängt ihn das Herz,
Ein Wort zu sagen, ein bestimmtes,
Und er weiß, das Wort bringt ihm Tod.
Kein Preis ist gesetzt auf das Wort,
Nur der Untergang,
Und er weiß es
Und sagt sein Wort dennoch.
Wenn einer das Leben einsetzt,
Gold zu erlangen, Macht zu gewinnen,
Dann kennt er den Preis seiner Fährnis,
Vor ihm schwebt er, greifbar,
Er kann ihn wägen.
Was aber ist ein W ort?
Darum sag ich:
Heil dem Manne, der den Tod auf sich nimmt,
Sein Wort zu sagen, weil das Herz ihn drängt.
Darum sag ich:
Heil dem Manne, der sagt, was ist.
Darum sag ich:
Heil dem Manne, den du nicht zwingen kannst, Zu sagen, was nicht ist.
Denn er nimmt es auf sich, das Schwerste.
Sehend, mitten im nüchternen Tag,
Winkt den Tod er herbei und spricht zu ihm:
komm!
Für ein körperloses Wort Steht er dem Tode,
Es zu verweigern, wenn es seine Lüge ist,
Es zu bekennen, wenn es seine Wahrheit ist.
Heil dem Manne,
Der dafür dem Untergang steht.
Denn das ist der Mut,
Zu dem Gott ja sagt.
An einem der nächsten Morgen ließ sich Josef dem Gebot des Kaisers zufolge die Heilige Straße hinauftragen zum Empfang im Palatin.
Am Eingang des Palais wurde er wie alle Besucher nach Waffen untersucht, dann ließ man ihn in die erste Vorhalle. Es waren mehrere hundert Menschen da, die Türhüter riefen die Namen auf, die Beamten des Hofmarschalls Crispin notierten sie, wiesen fort, ließen zu. Im zweiten Vorraum drängten sich die Gäste. Von einem zum andern eilten die Zeremonialbeamten und ordneten nach Anweisung des Crispin die Listen.
Josefs Anwesenheit fiel auf. Er sah, daß sein Besuch auch den Crispin beunruhigte, und nahm nicht ohne ein kleines Lächeln wahr, daß ihn Crispin nach einigem Zögern nicht unter die Bevorzugten auf die Liste der »Freunde der Ersten Vorlassung« setzte, sondern nur auf die Liste aller andern vom Zweiten Adel. Auf dem Wege war Josef mutig gewesen und hatte sich gesagt, je eher die qualvolle Stunde vorbei sei, so besser; jetzt war er froh, daß er, da er nur auf der Zweiten Liste stand, vielleicht unbeachtet und unverrichteterdinge wieder gehen könne.
Endlich erscholl der Ruf: »Der Herr und Gott Domitian ist erwacht!«, und die Türen, die zum Schlafgemach des Kaisers führten, öffneten sich. Man sah Domitian halbaufgerichtet auf dem breiten Lager, Gardeoffiziere in voller Rüstung ihm zur Rechten und zur Linken.
Die Ausrufer riefen die Namen der Ersten Liste aus,
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