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Joyland

Titel: Joyland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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während draußen die Brandung in einem gleichmäßigen Rhythmus über den Strand auslief …
    Es. Endlich, es.
    »Ich will es«, sagte ich und spürte, wie mir das Blut in die Wangen schoss. Mit dem Satz hatte ich nicht nur das Zimmer gemeint.
    »Dacht ich mir doch. Es steht Ihnen ins Gesicht geschrieben.« Als wüsste sie, was ich dachte, und vielleicht tat sie das ja auch. Sie grinste – ein breites Grinsen, das sie jetzt dann doch irgendwie in eine Dickens-Figur verwandelte, trotz flacher Brust und blasser Haut. »Ihr eigenes kleines Nest. Nicht unbedingt Versailles, aber dafür haben Sie es ganz für sich. Damit kann es ein Wohnheimzimmer nicht aufnehmen, stimmt's?«
    »So ist es«, sagte ich. Ich würde meinen Vater bitten müssen, dass er mir noch einmal fünfhundert Dollar überwies, damit ich über die Runden kam, bis der erste Lohn ausbezahlt wurde. Er würde murren, aber letztlich zahlen. Hoffentlich musste ich nicht schwere Geschütze auffahren und auf Mama zu sprechen kommen. Sie war vier Jahre zuvor gestorben, aber Dad trug immer noch ein halbes Dutzend Bilder von ihr in der Brieftasche mit sich herum, und auch den Ehering legte er nicht ab.
    »Ihren eigenen Job und Ihre eigene Bude«, sagte Mrs. Shoplaw wie versonnen. »Das ist eine tolle Sache, Devin. Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich Devin zu Ihnen sage?«
    »Dev ist mir lieber.«
    »Na klar, gern.« Sie schaute sich in dem kleinen Zimmer um und seufzte. »Irgendwann gewöhnt man sich daran, aber bis dahin ist es großartig. Dieses Gefühl von Unabhängigkeit! Ich glaube, Sie werden sich hier gut einfinden. Sie sehen aus, als gehörten Sie auf die Kirmes.«
    »Das ist jetzt heute schon das zweite Mal, dass jemand mir das sagt.« Dann musste ich an mein Gespräch mit Lane Hardy auf dem Parkplatz denken. »Das dritte Mal, genau genommen.«
    »Und ich wette, ich weiß, wer die beiden anderen waren. Kann ich Ihnen sonst noch was zeigen? Das Bad ist nicht besonders, aber immerhin besser, als im Wohnheim auf dem Klo zu hocken, während irgendwelche Kerle am Waschbecken furzen und sich gegenseitig was vorlügen, mit welchen Mädchen sie letzte Nacht rumgemacht haben.«
    Ich brach in lautes Gelächter aus, und Mrs. Emmalina Shoplaw stimmte mit ein.
    *
    Um wieder nach unten zu gelangen, nahmen wir die Außentreppe. »Wie geht's Lane Hardy?«, fragte sie. »Hat er immer noch diesen dämlichen Topfdeckel auf?«
    »Sie meinen die Melone?«
    Sie zuckte mit den Achseln. »Topfdeckel, Melone – wo ist der Unterschied?«
    »Dem geht's gut. Aber er hat mir was erzählt …«
    Sie sah mich von der Seite an, und ihr Lächeln konnte ich nur erahnen.
    »Er behauptet, in der Geisterbahn von Joyland – dem Horror House – würde es spuken. Ich hab ihn gefragt, ob er mich auf den Arm nimmt, aber das hat er verneint. Er sagt, Sie wüssten mehr darüber.«
    »Hat er das, wirklich?«
    »Ja. Er sagt, Sie wüssten sogar mehr über Joyland als er.«
    »Nun ja.« Sie holte eine Winston-Packung aus ihrer Hosentasche. »Ich weiß schon 'ne ganze Menge. Mein Mann war für alles Technische im Park zuständig, bevor er nach einem Herzanfall gestorben ist. Als sich herausgestellt hat, dass seine Lebensversicherung lausig und außerdem bis zum Anschlag mit Schulden belastet war, hab ich hier die oberen beiden Stockwerke vermietet. Was blieb mir auch anderes übrig. Wir haben nur eine Tochter, und die arbeitet jetzt oben in New York bei einer Werbeagentur.« Sie zündete ihre Zigarette an, inhalierte und atmete lachend wieder aus. »Dabei gibt sie sich alle Mühe, ihren südlichen Akzent loszuwerden, aber das ist 'ne andere Geschichte. Dieses überdimensionierte Ungetüm von Haus war Howies Spielzeug, und ich hab ihm das nie missgönnt. Wenigstens ist es abbezahlt. Und ich bin froh, dass ich auf diese Weise noch was mit dem Park zu tun habe. Das gibt mir das Gefühl, ihn nicht ganz verloren zu haben. Verstehen Sie das?«
    »Ja, klar.«
    Sie sah mich durch den Zigarettenqualm an, lächelte und schüttelte den Kopf. »Ach was – Sie meinen es nur nett. Um das zu verstehen, sind Sie noch zu jung.«
    »Vor vier Jahren hab ich meine Mutter verloren. Mein Vater trauert immer noch. Er sagt, es gäbe einen Grund, warum man sich ewige Treue schwört. Ich hab immerhin die Uni und meine Freundin, während er in einem Haus nördlich von Kittery hockt, das zu groß für ihn ist. Er weiß, dass er es verkaufen und in ein kleineres ziehen sollte, von dem er es nicht so weit zur Arbeit hat –

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