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Joyland

Titel: Joyland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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vielleicht zwölf – machte die ganze Sache nur noch schlimmer. Vielleicht meine ich aber auch besser, denn verschmähte Liebe hat für junge Männer durchaus ihren Reiz.
    Mrs. S. hatte nahegelegt, Annies scheinheiliger Vater könne bereit sein, die Vergangenheit ruhen zu lassen, und ich dachte, dass sie da vielleicht gar nicht so unrecht hatte. Ich hatte gehört, dass Enkel schon so manchen halsstarrigen Menschen erweicht hatten, und vielleicht wollte er den Jungen ja gern kennenlernen, solange dafür noch die Zeit blieb. Gut möglich, dass er (von seinen Leuten, die überall waren) erfahren hatte, dass Mike nicht nur verkrüppelt, sondern auch intelligent war. Vielleicht waren sogar Gerüchte bis zu ihm gedrungen, dass Mike über das verfüge, was Madame Fortuna das zweite Gesicht nannte. Oder ich sah das alles zu rosig. Vielleicht hatte Mr. Feuer und Schwefel ihr nur das Haus überlassen, weil sie ihm versprochen hatte, keine neuen Marihuana- oder Minirockskandale anzuzetteln, während er den wichtigen Wechsel vom Radio zum Fernsehen vollziehe.
    Ich konnte spekulieren, bis die von Wolken bedeckte Sonne unterging, und würde dann immer noch nicht wissen, was im Kopf von Buddy Ross vor sich ging. Bei Annie war ich mir dagegen einer Sache sicher: Sie würde die Vergangenheit nicht ruhen lassen.
    Ich stand auf und trottete runter ins Wohnzimmer; unterwegs zog ich einen Papierfetzen mit einer Telefonnummer aus meinem Geldbeutel. Tina und Mrs. S. hörte ich fröhlich in der Küche plaudern. Ich rief in Erins Wohnheim an, erwartete aber nicht, dass ich sie an einem Samstagnachmittag erreichen würde; wahrscheinlich war sie zusammen mit Tom unten in New Jersey, schaute bei einem Footballspiel zu und sang das Kampflied der Scarlet Knights.
    Aber die junge Frau, die Telefondienst hatte, sagte, sie würde sie holen, und drei Minuten später hatte ich ihre Stimme im Ohr.
    »Dev, ich wollte dich auch anrufen. Ich möchte dich nämlich besuchen, wenn ich Tom dazu kriege mitzukommen. Aber das klappt schon, nur nicht nächstes Wochenende. Wahrscheinlich das darauf.«
    Ich warf einen Blick auf den Kalender, der an der Wand hing – das wäre das erste Wochenende im Oktober. »Hast du denn etwas herausgefunden?«
    »Keine Ahnung. Vielleicht. Das Recherchieren macht mir ja Spaß, und ich hab mir wirklich reingehängt und eine Menge Hintergrundinformationen zusammengetragen. Aber den Mord an Linda Gray habe ich in der Collegebibliothek noch lange nicht gelöst. Trotzdem … da gibt es ein paar Dinge, die ich dir zeigen möchte. Dinge, die mich beunruhigen.«
    »Warum denn das? Und inwiefern?«
    »Darüber will ich am Telefon nicht sprechen. Falls ich Tom nicht überreden kann, zu dir runterzufahren, steck ich alles in einen großen Umschlag und schick es dir. Aber das wird schon. Er will dich gern sehen, er will nur nichts mit meiner kleinen Untersuchung zu tun haben. Er wollte sich nicht mal die Fotos anschauen.«
    Ich fand, dass sie furchtbar geheimnisvoll tat, beschloss aber, es auf sich beruhen zu lassen. »Hör mal, hast du schon einmal von einem Prediger namens Buddy Ross gehört?«
    »Buddy …« Sie fing an zu kichern. »The Buddy Ross Hour of Power! Meine Oma hört dem alten Schwindler ständig zu. Er zieht den Leuten einen Ziegenmagen aus dem Bauch und behauptet, das wäre ein Tumor! Weißt du, was Paps Allen sagen würde?«
    »Ein Schausteller von altem Schrot und Korn.« Ich musste grinsen.
    »Genau. Was willst du denn über den wissen? Und warum kannst du das nicht selbst rausfinden? Hat sich deine Mutter mal vor einem Zettelkatalog erschreckt, als sie mit dir schwanger war?«
    »Nicht dass ich wüsste, aber wenn ich Feierabend habe, hat die Bibliothek hier in Heaven's Bay schon geschlossen. Außerdem bezweifle ich, dass die auch nur ein Who's who haben. Die Bibliothek besteht gerade mal aus einem einzigen Raum. Um Buddy Ross geht es mir auch gar nicht. Sondern um seine beiden Söhne. Ich wüsste gern, ob die irgendwelche Kinder haben.«
    »Warum?«
    »Weil seine Tochter ein Kind hat. Einen verdammt netten Jungen, nur dass er nicht mehr lange zu leben hat.«
    Eine Pause. Dann: »Dev, in was bist du da unten reingeraten?«
    »Ich lerne eben neue Leute kennen. Kommt mich besuchen. Ich würde euch wirklich gern wiedersehen. Richte Tom aus, dass wir uns vom Horror House fernhalten.«
    Ich hätte erwartet, dass sie darüber lachen würde, aber ich irrte mich. »Oh, das wird er. Den bringen keine zehn Pferde in die Nähe der

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