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Joyland

Titel: Joyland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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ich hab ihr ein bisschen geholfen. Sie sind sehr nett. Ich hab mich nur gefragt … die beiden wohnen ganz allein in dem großen Haus, und der Junge ist wirklich schwer krank …«
    Der Blick, den sie wechselten, hätte nicht fassungsloser sein können, und fast wünschte ich, ich hätte das Thema nicht angeschnitten.
    »Sie redet mit Ihnen?«, sagte Mrs. Shoplaw. »Die Eiskönigin redet tatsächlich mit Ihnen?«
    Sie hat nicht nur mit mir geredet, sie hat mir auch einen Frucht-Smoothie gemacht. Und sich bei mir bedankt. Und sich sogar entschuldigt. Das alles behielt ich jedoch für mich. Und zwar nicht weil Annie auch mir gegenüber zu Eis geworden war, als ich mir zu viel herausgenommen hatte, sondern weil es mir irgendwie illoyal vorgekommen wäre.
    »Na ja, ein bisschen. Ich hab ihnen gezeigt, wie das mit dem Drachen funktioniert.« Ich wandte mich wieder dem Spielbrett zu. Es gehörte Tina und war eines von den professionellen mit einem unterlegten kleinen Drehkreuz. »Na los, Mrs. S. Sie sind dran. Vielleicht finden Sie ja sogar ein Wort, das ich in meinem kümmerlichen Vokabular habe.«
    »Bei korrekter Anordnung bringt kümmerlich mindestens achtundzwanzig Punkte«, sagte Tina Ackerley. »Und sogar noch mehr, wenn an das ü ein weiteres Wort angelegt wird.«
    Mrs. Shoplaw ignorierte sowohl das Spielbrett als auch den Ratschlag. »Sie wissen doch bestimmt, wer ihr Vater ist, oder?«
    »Nein, weiß ich nicht.« Allerdings wusste ich, dass sie sich mit ihm verkracht hatte, und zwar heftigst.
    »Buddy Ross? Aus der Sendung The Buddy Ross Hour of Power? Na, klingelt's da?«
    Irgendwie schon, aber nur ganz leise. Vielleicht hatte ich in der Kostümschneiderei einmal einen Prediger namens Ross im Radio gehört. Das war gut möglich. Während einer meiner hastigen Verwandlungen in Howie hatte mich Dottie Lassen – aus heiterem Himmel – gefragt, ob ich Jesus gefunden hätte. Am liebsten hätte ich geantwortet, ich wisse nicht einmal, dass Er überhaupt verloren gegangen sei, aber ich hatte mich beherrscht.
    »Einer dieser Bibelschreier, richtig?«
    »Neben Oral Roberts und diesem Jimmy Swaggart ist er so ziemlich der erfolgreichste von denen«, erklärte Mrs. S. »Seine Predigten werden aus einer riesigen Kirche in Atlanta übertragen – der Zitadelle Gottes, wie er sie nennt. Seine Radiosendung ist im ganzen Land zu hören, und inzwischen tritt er auch immer häufiger im Fernsehen auf. Ich weiß nicht, ob die Sender ihm die Zeit kostenlos zur Verfügung stellen oder ob er dafür bezahlen muss. Leisten kann er sich das ganz bestimmt, vor allem spätabends. Dann sind die alten Leute mit ihren Wehwehchen noch auf. Seine Sendungen bestehen zur Hälfte aus Wunderheilung und zur Hälfte aus Appellen, der Kirche im Zeichen der Liebe Geld zu spenden.«
    »Sieht so aus, als wäre es ihm nicht gelungen, seinen Enkel zu heilen«, sagte ich.
    Tina zog die Hand aus dem Buchstabenbeutel; sie war leer. Im Moment hatte sie das Scrabbeln völlig vergessen, was für ihre hilflosen Opfer nur gut war. Ihre Augen funkelten. »Sie wissen überhaupt nichts über ihn, habe ich recht? Normalerweise halte ich ja nichts von Tratsch, aber …« Sie senkte verschwörerisch die Stimme. »… aber da Sie ihnen begegnet sind, kann ich Ihnen das ja erzählen.«
    »Ja, bitte«, sagte ich. Eine meiner Fragen – wie es komme, dass Annie und Mike in einem riesigen Haus an einem der nobelsten Strände von North Carolina wohnten – war allerdings schon beantwortet worden. Das Sommerhaus gehörte Opa Buddy und war mit dem Geld der Gläubigen bezahlt worden.
    »Er hat zwei Söhne«, fuhr Tina fort. »Beides hohe Tiere in seiner Kirche – Diakone oder Pastoren. Was genau, weiß ich nicht, weil mich diese scheinheiligen Prediger nicht interessieren. Seine Tochter dagegen ist offenbar aus der Art geschlagen. Sie ist eher sportlich. Reiten, Tennis, Bogenschießen, Rotwildjagd mit ihrem Vater und außerdem Sportschießen, und zwar ziemlich erfolgreich. Das stand alles in der Zeitung, nachdem der Ärger losging.«
    Jetzt leuchtete mir auch das Camp-Perry-T-Shirt ein.
    »So etwa als sie achtzehn wurde, kam sie dann in Teufels Küche – buchstäblich, in seinen Augen. Sie ist auf ein ›säkulares humanistisches College‹ gegangen, wie sie das nennen, und dem Vernehmen nach war sie ein ziemlich wildes Kind. Dass sie mit Sportschießen und Tennis aufgehört hat, war eine Sache. Dass sie nicht mehr in die Kirche ging, eine andere. Dem Vernehmen nach haben da

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