Joyland
darüber beschwerten, dass sie immer wieder über den rauen Asphalt der Joyland Avenue scheuerten. Nach fünf Massagen zählte ich jedes Mal langsam bis drei und lauschte auf Eddies Atem – nichts. Dieses Mal schien Joyland seinem Namen nicht gerecht zu werden. Nicht nach den ersten fünf Versuchen, nicht nach den zweiten fünf, nicht nach einem halben Dutzend Durchgängen. Er lag einfach nur da, die Hände in den Handschuhen neben sich, und sperrte den Mund auf. Ausgerechnet Eddie Parks! Ich starrte ihn an, während Lane zurückgespurtet kam und mir zurief, der Rettungswagen sei unterwegs.
Das mach ich nicht, dachte ich bei mir. Verdammte Scheiße, das mach ich nicht.
Dann beugte ich mich vor, drückte ein weiteres Mal Eddies Brust nach unten und presste ihm meinen Mund auf die Lippen. Es war nicht so, wie ich befürchtet hatte; es war schlimmer. Seine Lippen hatten den bitteren Geschmack der Zigaretten angenommen, und sein Mund stank noch nach etwas anderem – so wahr mir Gott helfe, das waren, glaube ich, Peperoni, vielleicht von einem Frühstücksomelett. Trotzdem achtete ich darauf, dass unsere Lippen fest aufeinanderlagen, hielt ihm die Nase zu und blies ihm Luft in die Lunge.
Das machte ich fünf oder sechs Mal, bevor er wieder anfing, selbsttätig zu atmen. Ich hörte mit der Massage auf, um zu sehen, was passierte, und er atmete weiter. An dem Tag war die Hölle wohl schon voll, denke ich mal. Ich rollte ihn auf die Seite, nur für den Fall, dass er sich übergab. Lane stand neben mir, eine Hand auf meiner Schulter. Kurz darauf hörten wir die Sirene eines Rettungswagens näher kommen.
Lane eilte ihm entgegen, um den Fahrer am Tor einzuweisen. Nachdem er fort war, fiel mein Blick auf die zähnefletschenden grünen Monstergesichter, die die Fassade des Horror House schmückten. TRITT EIN – WENN DU ES WAGST stand in triefenden grünen Buchstaben über den Gesichtern. Ich musste unwillkürlich an Linda Gray denken, die lebend da hineingegangen und Stunden später kalt und tot herausgetragen worden war. Wahrscheinlich fiel mir das ein, weil Erin bald kommen würde. Mit Informationen, die sie beunruhigten. Auch an den Mörder der jungen Frau musste ich denken.
Das hätten auch Sie sein können, hatte Mrs. Shoplaw gesagt. Nur dass Sie dunkle Haare haben und keine blonden, und im Unterschied zu ihm haben Sie auch keinen Vogelkopf auf die Hand tätowiert. Auf dem Bild an der Schießbude ist das deutlich zu sehen – ein Adler oder ein Falke.
Eddies Haare waren vorzeitig ergraut, wie das bei lebenslangen Rauchern oft der Fall war. Aber vor vier Jahren war er vielleicht noch blond gewesen. Und er trug immer und überall Handschuhe. So alt, wie er war, konnte er unmöglich der Mann gewesen sein, der Linda Gray auf ihrer letzten Fahrt begleitet hatte. Oder …?
Der Rettungswagen würde jeden Moment hier sein – ich konnte Lane am Tor stehen sehen, wo er die Sanitäter mit erhobenen Händen zur Eile antrieb. Ich dachte mir, was soll's, und zog Eddie die Handschuhe aus. Seine Finger waren von toter Haut bedeckt, der Rücken seiner Hände unter einer dicken Schicht irgendeiner weißen Creme knallrot. Tätowierungen hatte er keine.
Nur Schuppenflechte.
*
Sobald Eddie in den Rettungswagen eingeladen und auf dem Weg in das winzige Krankenhaus von Heaven's Bay war, suchte ich die nächstgelegene Toilette auf und spülte mir den Mund aus. Mehrmals. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich den Geschmack dieser verdammten Peperoni loswurde, und ich hab die Dinger seither nicht mehr angefasst.
Als ich wieder rauskam, stand Lane Hardy neben der Tür. »Das war großartig«, sagte er. »Du hast ihn zurückgeholt.«
»So bald ist der noch nicht über den Berg, und möglicherweise hat sein Gehirn Schaden genommen.«
»Kann sein, aber ohne dich wäre er unter der Erde, und zwar ein für alle Mal. Erst das kleine Mädchen und jetzt den fiesen alten Sack. Demnächst sag ich Jesus statt Jonesy zu dir. Du bist eindeutig der Heiland.«
»Wenn Sie das machen, dann haben Sie mich die längste Zeit gesehen.«
»Okay, aber das war wirklich eine gute Tat, Jonesy. Ich würde sogar sagen, du hast den Vogel abgeschossen.«
»Aber der Geschmack«, sagte ich. »Herrgott!«
»Yeah, das glaub ich gern, aber das Ganze hat auch sein Gutes. Jetzt, wo er weg ist, bist du endlich frei, endlich frei, allmächtiger Gott, endlich frei. Ich denke, da bist du bestimmt froh drüber, hab ich recht?«
Das war ich, und wie.
Lane zog ein Paar
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