Jud Sueß
Vorwand, solange Sie warteten.«
Sie wehrte sich, sie schlug zurück. »Sie haben mir stehlen können, was ich hatte«, sagte sie. »Aber es wird Ihrer teuflischen Kunst nicht glücken, es hinterher zu besudeln. Reden Sie! Reden Sie alle Ihre armen Ruchlosigkeiten und Frivolitäten. Sie werden mir meinen Gott doch nicht zum Traum einer mannstollen Närrin hinunterschwatzen.« Sie rief sich die erfüllten Stunden über dem Swedenborg zurück, das einfältig fromme Licht der Brüdergemeinde, die Gesichte von einst bekamen wieder Farbe, sie zwang sich zurück in den gläubigen Dunst der blinden Heiligen, sie zwang das Vergangene, wieder da zu sein, auf eine Minute war sie wie früher schlicht und ohne Zweifel, war ihr Gott lebendig. »Wenn er mich auch verschmäht«, rief sie, und der andere war erstaunt über das fromme Blühen in ihrer Stimme, »Gott lebt!« Und noch einmal: »Gott lebt!« rief sie, und er war ihr in Wahrheit auferstanden.
Doch ach! auf eine Minute nur. Der Jude schwieg, genoßihr Eifern und ihr Glühen. Dann mit glatter Hand wischte er es weg. »Wenn das so ist«, sagte er leichthin, »warum flohen Sie dann vor mir, damals, im Wald von Hirsau? Warum dann half Ihnen Ihr Gott nicht gegen den Herzog? Ich glaube nicht viel; aber das glaube ich, daß man nicht Macht haben kann über eine Frau, die des Gottes voll ist. Wenn die Beata Sturmin schön wäre, niemand würde sich an sie heranwagen, kein General nicht und kein Herzog nicht. Aber wenn sie schön wäre«, lächelte er, »dann hätte sie eben nicht Gott.« Und während ihr Gesicht erlosch und während sie ihrem entflatternden Gott nachstarrte, trat er näher an sie, und jetzt sagte er ihr, was sie gefürchtet hatte, aber er sprach es nicht triumphierend, er sprach es gutmütig, mit seiner streichelndsten Stimme: »Ich will Ihnen etwas sagen, Magdalen Sibylle. Ich will Ihnen sagen, warum Sie damals im Wald vor mir geflohen sind. Weil Sie mich liebten. Und alles, was Sie seither getan und gefühlt haben, Haß und Verzweiflung und Gegenschlag und Starrheit und Klage, das alles haben Sie nur deshalb getan und gespürt. Und ich will Ihnen weiter sagen: auch ich habe seither keinen Tag gehabt, an dem ich Ihr Gesicht nicht sah und spürte.«
Magdalen Sibylle hatte geglaubt, sie werde vergehen, sowie er das Wort sprechen wird. Nun zog er sie nackt aus, nun nannte er alle ihre erhabenen Gefühle, ihren heiligen Eifer, den Satan zu Gott hinüberzuziehen, alles nannte er bei seinem rechten, kleinen und lächerlichen Namen. Es war ja alles auch so einfach auf seine simple und alberne Formel zu bringen: sie war eben ein kleines, dummes, schwäbisches Landmädel, das sich in den erstbesten Kavalier vergaffte, der ihr unvermutet über den Weg lief, und ihre Erweckung und Gottesminne war nichts als ganz ordinäre, armselige Geilheit. Aber merkwürdigerweise verging sie durchaus nicht, als er ihr das auf den Kopf zusagte. Sie bäumte vielmehr hoch, sie stand auf wider ihn, und auf einmal konnte sie reden, und in geraden, unverkünstelten, zornigen Worten schalt sie ihn: Ja, sie habe vielleicht ihr Gefühl verkleidet und maskiert, aberer habe das Niedrigste, Schäbigste, Jüdisch-Ekelste getan, was ein Mensch tun könne, habe sein Gefühl verschachert.
Er leckte aus ihren Worten nur den Honig, nach dem seine Eitelkeit gelüstig war, sah nur mit gesättigtem Stolz, wie ganz er sie erfüllte. Und er wollte sie wieder gläubig haben, um noch glänzender vor ihr zu paradieren. Mit geübter Sophistik, er war ja längst vorbereitet, entfaltete er denn auch sogleich das Argument, das sie schlagen, das sie ihm fangen mußte. Schmeichlerisch und gewandt breitete er es vor sie hin: Wie sie ihm unrecht tue! Ja, er wisse, er hätte damals leicht ihr Gefühl in seine Hand bekommen können, so daß sie sich ihm willig gegeben hätte. Doch er sei kein Freund der billigen Mittel. Mit seiner Macht und seinem Glanz auf das schwäbische Landmädel Eindruck zu machen, das sei ihm zu wohlfeil vorgekommen. So sei es ihm wie ein Wink gewesen, wie der Herzog nach ihr verlangt habe. Jetzt habe sie die Macht gekostet, jetzt stünden sie gleich zu gleich, und er kämpfe mit ehrlicher Waffe. Und er freute sich, wie fein und glänzend er den Handel zu seinem Vorteil gedreht hatte.
Im tiefsten wußte Magdalen Sibylle, daß es Phrasen waren, galante Ausreden. Aber seine Worte gingen ihr lieblich ein, sie hatte so lange gekämpft, sie ließ sich gerne so wohlig belügen. Er indes berauschte
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