Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
Vom Netzwerk:
Pfau, Symbol des Reichtums. Überflüssige Dienerschaft gähnte vornehm und müßig auf den Korridoren. Karl Alexander hatte eine offene Hand für seine Herzdame; auch der König von Polen konnte seine Mätresse nicht besser in Prunk und Schimmer setzen.
    Magdalen Sibylle hielt sich inmitten dieser Pracht mit gefrorener Ruhe. Sie fuhr aus, sie empfing Gäste, sie lachte und machte Konversation, alles maskenhaft starr. Der Glanz hing und stand leblos um sie herum; das Schlößchen war wie das Gehäuse einer pomphaft aufgebahrten Toten.
    Mit starrer Höflichkeit empfing sie den Süß. Mächtiges, violettbraunes Kleid aus Brokat, lange, streng anliegende Ärmel, kleiner Ausschnitt. Die bräunlichen Wangen, die blauen Augen zu artiger Gemessenheit gezwungen wie etwa vor dem Baden-Durlachischen Geschäftsträger, mit dessen Hof man gespannt war, die schwarzen Haare unter der Perücke zeremoniös versteckt. Süß suchte ihrer Kälte zunächst durch ausschweifende, muntere Liebenswürdigkeit und hemmungslose Galanterie beizukommen. Sie hatte nur verächtlich knappe Antworten, war aus ihrer gepanzerten Frostigkeit nicht herauszulocken. Da versuchte er es anders, reizte sie zum Angriff, dankte ihr überschwenglich, daß sie sich resolviert habe, ihn zu empfangen. Sie erwiderte, sie habe es auf Ordre Seiner Durchlaucht getan. Schwieg ein kleines, konnte sich nichtenthalten, hinzufügen, nachdem sie so vieles hingenommen, könne sie auch das noch über sich ergehen lassen.
    Jetzt war Süß in seiner Strömung. Hinnehmen! Über sich ergehen lassen! Des Herzogs von Württemberg Herzdame zu sein, welch Unglück! Die Töchter des ganzen schwäbischen Adels sehnten sich danach. Ein Prunkschloß, hundert Lakaien, Jagden, Assembleen befehlen können nach Belieben, arme Demoiselle, ach, wie schlecht es ihr erging!
    Magdalen Sibylle nahm die Maske ab. Er wollte also den Kampf, er glaubte offenbar, sie habe schon vergessen, sich eingelebt, er könne da wieder ansetzen, wo er einhielt, bevor er sie, der schachernde, teuflische Jude, dem Herzog verkauft. Sie stand brüsk auf, ließ das kleine modische, asiatische Hündchen, ein Geschenk Karl Alexanders, unsanft, daß es bläffte, zur Erde gleiten, funkelte ihn an: Er solle nicht simulieren. Er wisse sehr genau, worum es gehe, was er ihr getan habe. »Sie sind ja schuld an allem!« rief sie, und in ihre bräunlichen, männlich kühnen Wangen stieg Blut, und der feine Flaum darauf belebte sich.
    Süß sah den festen, glatten Hals, die Kehle sich heben, sich senken. Er hatte sie, wo er sie wollte. Sie solle sich nicht unterschätzen, meinte er mit seiner geschmeidigen, streichelnden, aufreizenden Stimme. Sie sei Seiner Durchlaucht schon von selbst ins Blut gegangen, da habe es seiner Nachhilfe nicht bedurft. Aber gesetzt den Fall, er sei wirklich die Ursache, und er schaute sie dreist lächelnd, einverständnisvoll auf und ab, was er ihr dann Böses getan habe. Sie wollten doch hier nicht nach dem Diktionär der Bürgermoral reden, sondern sachlich, als Leute von Welt. Ernstlich also, was er ihr Leides getan habe?
    Sie atmete stark, machte raschere Bewegungen, als das feierlich stolze Kleid eigentlich erlaubte, ihre eingeborene Heftigkeit brach durch. Was er ihr getan habe? Versteller er und arger Jud! Gewandelt in Falschheit und Schminke alles, was sie redet, was sie tut! Erstickt den lebendigen Odem Gottes in ihr! »Wenn die Worte der Schrift«, rief sie, »wenn die heiligenWorte keine Farbe haben und keinen Sinn mehr: Sie sind schuld daran, Sie haben sie tot und fahl gemacht! Sie!«
    Aber das war es doch nicht, was sie sagen wollte. Warum log sie denn und warf ihm nicht nackt und wahr seinen Gefühlsschacher und seine ganze klägliche Niedrigkeit ins Gesicht? Warum, um Gottes willen, log sie denn?
    Und da hatte er auch schon das Unredliche ihrer Worte erkannt. Sie solle so nicht reden, sagte er, zu ihm solle sie so nicht reden. Das seien doch nur Ausflüchte, Selbstbetrug. Das Bibelkollegium von Hirsau und der Odem Gottes und Gesichte und Träume, das sei doch alles Schminke und Mummenschanz, gut für Schwächliche und Männer ohne Atem und ohne Schenkel und Bresthafte und häßliche Jungfern. Er sah sie auf und ab mit seinen frechen, dringlichen, abschätzigen Augen. »Wer gewachsen ist wie Sie«, rief er, »wer Ihre Augen hat, Demoiselle, und, wenn Sie es auch verstecken, Ihr Haar, der hat Gott nicht nötig. Seien Sie doch ehrlich! Belügen Sie sich nicht selber! Die Heiligkeit war ein

Weitere Kostenlose Bücher