Jud Sueß
reiste der Engländer ab,durchaus nicht heimlich, sondern umständlich und gemächlich, aber zweifelnd an Gott, sein simples, klares Weltbild in Scherben, zerfallen mit sich und den Menschen. Der kurze Genuß hatte ihn tief verstört, er konnte sich an nichts mehr recht erinnern, das einzige, was in seinem Gedächtnis haftete, war ein etwas beschädigter Strumpfgürtel der Herzogin, um den es sich eigentlich nicht gelohnt hätte, Leben, Ruf, Stellung in der Heimat zu gefährden.
Karl Alexander hatte eine Menge Indizien, aber keinen unbedingt handgreiflichen Beweis für die Untreue Marie Augustens. Unter sonstigen Umständen hätte er sich wohl bald beruhigt; jetzt machte ihn der Mißmut über seine Behinderung durch die Krankheit zänkisch und verbissen. Marie Auguste, der ständigen Beargwöhnung und Aufsicht bald überdrüssig, spielte zunächst die Genoveva, trumpfte aber bald groß auf, setzte den Grobheiten des Gatten eine bissige, aufreizende Ruhe und Ironie entgegen, drohte schließlich, sie werde zu ihrem Vater zurückkehren. Worauf Karl Alexander roh erwiderte, an diesem Tage werde er alle Glocken läuten lassen, Böller schießen und jedem Untertan Wein und Braten spendieren.
Dem alten, feinen Fürsten Thurn und Taxis kam das Zerwürfnis höchst ungelegen. Schön, seine Tochter hatte sich ein weniges mit einem englischen Herrn amüsiert. Warum soll man sich nicht mit einem Engländer amüsieren? Sie machen schlecht Konversation und sind hölzern von Figur, aber sie haben vor den Welschen Unverbrauchtheit, Gesundheit und vor allem Diskretion voraus. Wäre er eine Frau, er würde sich auch einen Engländer aussuchen. Darum braucht man doch keinen solchen Lärm zu machen und soviel Spanponaden. Aber freilich, sein Herr Schwiegersohn, Liebden, war ein Feldherr und als solcher gewöhnt, mit viel Geräusch aufzutreten. Auch verlangte man von einem Strategen Siege, aber keine Kinderstube. Seufzend schrieb er das seinem Freund, dem Fürstbischof von Würzburg, mit der Bitte, den kindischen Handel möglichst rasch einzurenken.
Dem klugen, schlauen, dicken Herrn kam diese Aufforderung sehr gelegen. Er hatte den Stettenfelser Handel nicht vergessen, die Niederlage der Kirche kratzte ihn sehr, er hielt den Grafen Fugger an seinem Hofe, er wartete nur auf einen Anlaß, sich unauffällig nach Stuttgart zu begeben und die Gewinnung des Landes für Rom persönlich auf glatteren, rascheren Weg zu bringen. So ließ sich die Eminenz nicht lange bitten, sondern hielt sehr bald mit den Geheimräten Fichtel und Raab in zahlreichen, stattlichen Kutschen behaglichen, fröhlichen und komfortablen Einzug in Stuttgart.
Fragte mit kleinem Schmunzeln den Herzog nach seinem Leiden, hörte mit Pläsier, daß es so gut wie geheilt sei, riet freundschaftlich, sich immerhin vorläufig noch mehr an den Kaffeetrank seines Rates Fichtel als an den Tokaier zu halten. Tätschelte onkelhaft die kleine, weiße, fleischige Hand der puppig schmollenden Herzogin. Hatte die Gatten bald so weit, daß sie sich ehrlich darauf freuten, bis sie nach völliger Wiederherstellung des Herzogs dem Land und sich und der Kirche einen Erben schenken könnten.
Der Fürstbischof drängte darauf, daß man ihm den famosen Geheimen Finanzienrat und Hausjuden etwas aus der Nähe besehen lasse. Karl Alexander tat das nicht gern. Er fürchtete sehr, man möchte ihm seinen unentbehrlichen Juden fortlocken. Aber er konnte schließlich dem Freunde den harmlosen Wunsch nicht auf die Dauer weigern. Süß erschien vor dem Fürstbischof, mit der geübten, grenzenlos demütigen Ergebung küßte er ihm den Ring, breitete geschickte Komplimente vor das große Weltorakel, den heimlichen Kaiser, Herz und Lenker aller Politik. Aber die Würzburger Eminenz war nicht so leicht zu fangen. Die beiden Füchse berochen sich anerkennend, und keiner traute dem andern. Glatt, harmlos, fröhlich, unverfänglich plauderte der schlaue, feiste Mann mit dem schlauen, schlanken, und keiner kam dem andern näher.
In unermüdlicher Arbeit förderten der Fürstbischof und seine beiden Räte ihre Projekte. Unablässig hetzten sie an dem Herzog, an Remchingen. Offene und heimliche Konferenzenmit Weißensee, mit den verschiedenen Ordensgeistlichen, die gegen die Verfassung, im geheimen angeknirscht, in Weil der Stadt, überall im Herzogtum sich eingenistet hatten. Als der Fürstbischof das Herzogtum vergnügt verließ, hatte er Stettenfels reichlich wettgemacht, für seine Pläne Großes erreicht,
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