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Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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schwarzen Haar spitzbübisch züngelte. Um sie her die kleine Assemblee der Vertrauten, die für den Christabend geladen waren. Der Herzog hatte den Süß ausschließen wollen. Aber Marie Auguste hatte mit ihrem amüsanten und galanten Hofjuden, seitdem er ihr jene Geschichte von dem Amulett gegen die Lilith erzählt hatte, ein besonderes, heimliches und wortloses Einverständnis und wollte ihn auch an diesem Abend nicht missen. Er empfand es gerade in der Isolierung dieser Zeit als Genugtuung, zugezogen zu werden. In ehrlicher Dankbarkeit verehrte er der Herzogin als Präsent eine sehr hübsche Gemme, in die ein gefatschter Säugling geschnitten war, und eine ziervolle chinesische Kinderklapper aus Porzellan und Elfenbein; äußerst fein geschnitzte bezopfte Männer kletterten den Stiel hinauf mit beweglichen Köpfen, und winzig kleine Pagoden läuteten und klapperten. Als drittes aber mit einem Lächeln voll Geheimnis und Verehrung überreichte er ihr ein kleines goldenen Etui; sie wußte, darin war das Amulett.
    Doch die anderen, mißvergnügt, daß Süß noch immer so fest in Gunst stand, empfanden ihn gerade an diesem Abend als Eindringling und fielen mit plumpen, bösartigen Späßen über ihn her. Der Herzog, ein Wort Remchingens aufnehmend, mahnte Marie Auguste, sie solle sich nicht an dem Juden versehen, daß Württemberg keinen krummnäsigen Herzog bekomme. Marie Auguste lächelte nur. Heimlich streichelte sie das kleine Etui; heimlich, von den anderen ungesehen, nahm sie das Amulett heraus, betrachtete es: ein Pergamentstreifen, mit roten, blockigen hebräischen Buchstaben beschrieben; dazwischen schlangen sich, zackten sich beunruhigend krause Figuren, hockten komisch und bedrohlich primitive Vögel.
    Süß hörte indes Sticheleien und grobe Attacken mit der gleichen aufmerksamen und gelassenen Verbindlichkeit an. Später dann wandte er sich an den Herzog und Weißensee, er habe gehört, wie der Herzog und der Herr Kirchenratsdirektor gelegentlich über den katholischen und den evangelischenText des Weihnachtsevangeliums debattiert hätten, ob die evangelische Lesart: »und den Menschen ein Wohlgefallen« oder die katholische: »den Menschen, die guten Willens sind« die richtige sei. Er freute sich, als kleines Weihnachtsgeschenk einen Beitrag zur Lösung dieses Problems beibringen zu können. Einigermaßen verblüfft sahen die Herren ihn an, auch die anderen schwiegen und horchten skeptisch und spöttisch auf, während Süß höflich und gleichmütig fortfuhr: seit dem Professor Baruch d’Espinosa, den der höchstselige pfälzische Kurfürst an seine Universität Heidelberg habe berufen wollen, hätten seine Glaubensgenossen sich eingehend mit dem wissenschaftlichen Studium auch des Neuen Testaments befaßt. Er habe nun wegen der besagten Textstelle an einen Geschäftsfreund nach Amsterdam geschrieben und folgende Auskunft erhalten. Im griechischen Text heiße es »eudokias«, was die Vulgata und die Katholiken richtig mit »bonae voluntatis, guten Willens« übersetzten. Erasmus aber habe seine Bibel nach einem Manuskript gedruckt, in dem fälschlich »eudokia«, ohne s, stand, und danach habe Luther: »ein Wohlgefallen« übersetzt. Erasmus wäre sicherlich auf den Fehler gekommen, wenn er nicht solche Eile gehabt hätte. Aber er hatte den Ehrgeiz, mit seinem Bibeldruck dem des Kardinals Ximenes zuvorzukommen. Darum also sei bei allem Respekt vor der Gelehrsamkeit des Herrn Kirchenratsdirektors das lutherische Weihnachtsevangelium hier nicht in Ordnung und Seine Durchlaucht hätten den rechten Text.
    Süß brachte diese Erklärung bescheiden, höflich und sachlich vor. Was er sagte, war so einleuchtend, daß sogar von den Offizieren der eine oder andere es verstand; und Marie Auguste freute sich über die Gescheitheit ihres Hofjuden. Aber die anderen alle ärgerten sich, daß der Jude am Weihnachtsabend das Evangelium so sachkundig auseinanderblätterte, und Remchingen polterte, jetzt also schacherten die Juden nicht nur mit Wechseln und Juwelen, sondern auch mit dem Wort Gottes. Weißensee verbreitete sich über die Stellung der Frau im Alten und im Neuen Testament. Dies war ein Thema, indas er sich unter dem schmerzhaften Erkennen und Erleben der letzten Zeit auch in seinem Bibelkommentar wild verbissen hatte. Im Neuen Testament: die Madonna, im Alten: die tausend Weiber des Salomo. Er sprach glatt, elegant, geschmeidig, verbindlich, wie das seine Art war. Aber es klang irgend etwas Verstecktes, so

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