Jud Sueß
einleuchtende Erklärung habe schaffen können, das sei sehr amüsant gewesen, und er sei doch ein Tausendsassa. Unvermittelt dann sprach er dem geschmeichelten Süß von dem Magus, ob man den nicht einmal könne wieder zu sehen kriegen. Er wisse schon, von wegen dem, womit er nicht habe herausrücken wollen. Süß, unbehaglich, wich aus. Karl Alexander bestand nicht, sagte, es sei ja wahr, dem Magus sei schwer beizukommen, er sei ein schwieriger Onkel. Aber eines müsse der Süß ihm schaffen: ein Horoskop von dem Magus über das, was er sich für die Zukunft von den Frauen Böses oder Gutes zu versehen habe. Nach der Affäre mit der Napolitanerin, nach dem Auf und Ab mit der Herzogin, bei dem blöden, zimpferlichen Getue der Damen Götz wolle er darüber was wissen. Es sei nur recht und billig, daß ihm der Süß von dem Kabbalisten das Horoskop darüber stellen lasse. Nachdem er der Herzogin das Amulett beschafft habe, werde er ihm wohl auch den Gefallen tun; und nachdem er so Schwieriges beigebracht habe wie jene Bibelerklärung, müsse ihm das doch ein leichtes sein. Süß konnte nicht wohl ablehnen, zauderte, gab nach.
Man trennte sich bald. Die katholischen Herrschaften wollten noch in die Schloßkapelle zur Mette. Weißensee bat den Süß, ihn begleiten zu dürfen.
Die Herren schickten die Wagen voraus, gingen zu Fuß. Die Nacht war lau, starker, erregender Wind ging. Weißensee kam auf sein Thema zurück, wie seltsam es sei, daß die morgenländischenGeschichten sich nun im ganzen Erdteil so fest angesiedelt hätten. Er sprach vom deutschen Wald, wie kurios es sein müßte, wenn man dahinein plötzlich so irgendein morgenländisches Gebäu stelle. In seiner Gegend, im Wald von Hirsau, habe ein Holländer diese sonderbare Intention gehabt. Unter solchen Reden war man vor dem Haus des Juden in der Seegasse angelangt, und der Kirchenratsdirektor verabschiedete sich besonders umständlich und verbindlich. Sowie sein Bibelkommentar, in dem die liebenswürdige Auskunft des Süß eine besondere Stelle finden werde, fertig sei, werde er sich die Ehre geben, dem Herrn Finanzdirektor mit als erstem ein Exemplar zu überreichen.
Süß schritt durch die matterleuchtete Vorhalle. Es klang ihm in den Ohren: O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit. Auf leisen Sohlen erschien der Kammerdiener, ob er Seine Exzellenz schon auskleiden dürfe. Süß winkte ab. Er konnte nicht schlafen. Lag ihm der Föhn im Blut? Und was der alte Fuchs da gesagt hatte von Hirsau, es klang ja sehr harmlos, auch war ja das Haus des Oheims eigentlich nicht morgenländisch; aber war in den Worten des Weißensee nicht doch ein Hinterhalt?
Er setzte sich an seine Akten. Allein die Ziffern schauten ihn nicht mit der kalten Sachlichkeit an wie sonst. Das krause Gerank des weißen Hauses mit seinen Blumen hängte sich an sie. Er warf den Kiel weg, ging auf und ab in splitternden, unbehaglichen Gedanken, während ringsum die Glocken der Mette läuteten.
Isaak Landauer saß in unschöner, unbequemer Haltung in einem der prunkvollen Sessel des Süß. Man hatte die geschäftlichen Dinge zu Ende gesprochen, und Süß, durch die schmuddelige Gegenwart des anderen gereizt, wartete nervös auf seinen Aufbruch. Doch Isaak Landauer traf keinerlei Anstalt, er strähnte sich den rotblonden, verfärbten Bart und sagte: »Ja, der Prozeß gegen den Reb Jecheskel Seligmann Freudenthal ist also in vier Wochen. Unbehaglich, Reb JosefSüß. Muß Euch sein besonders unbehaglich. Da habt Ihr Eure Lakaien, Eure Chineser, Euren goldenen Rock, Euren Papagei. Aber die Eßlinger spucken Euch drauf und bringen um den Reb Jecheskel Seligmann Freudenthal.« Da der andere schwieg, fuhr er fort: »Wenn ich Euch gesprochen hab von dem Ravensburger Kindermord, habt Ihr gemacht ein Gesicht, hoffärtig wie ein Goi, und habt gesagt: alte Geschichten. Jetzt seht Ihr’s mit Euren alten Geschichten, jetzt springt Euch das Schlamassel an den eigenen Hals.«
Aber Josef Süß schwieg zäh. Als die ersten Nachrichten gekommen waren von den Maßnahmen der Eßlinger, hatte er natürlich sogleich erkannt, daß sie gegen ihn gerichtet waren, nur gegen ihn. Er wollte zufahren, zwang sich, seinen Zorn zu überschlafen, das Für und Wider eines Eingreifens in aller Ruhe zu überdenken. Nahm er Partei für den Jecheskel Seligmann, so gefährdete er seine Nobilitierung und die Mariage mit der Portugiesin, beschwor tausend aufreibende Kämpfe mit dem Parlament herauf, mußte als
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