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Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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mächtiger Halskrause das blaurote, verdrückte, entfleischte Gesicht mit der Geiernase und dem gefärbten Knebelbart, hinter faltigem Lid nach dem Süß äugend mit länglichen, starren, schmalen Augen.
    Diese alle, dazu die anderen alten Feinde, Remchingen, der Kammerdiener Neuffer, staken jetzt in dem katholischenProjekt. Süß, so klar und weit er das Ganze überschaute, viel klarer als die groben, großspurig törichten Offiziere, sah sich außerhalb dieses Planes. Er erfuhr Wichtiges nebenher oder gar nicht; nur wenn man seinen finanztechnischen Rat unbedingt brauchte, teilte man ihm lustlos, von oben her, beiläufig das eine oder andere mit. Ja, einmal, wie er sich leise etwas weiter vortastete, schnauzte ihn der Herzog grob an, er solle solche Spioniererei ein für allemal lassen. Wenn es Zeit sei, mit dieser Katze durch den Bach zu fahren, werde man es ihm, vielleicht!, sagen.
    Karl Alexander, rascher als er erhofft und völlig wiederhergestellt, war groß tätig und gut gelaunt. Dazu kam, daß die von dem Würzburger erwirkte Versöhnung mit Marie Auguste die erwünschten Folgen gehabt hatte; die Herzogin war schwanger. Das Land hörte diese Botschaft mißvergnügt. Wäre der Herzog kinderlos gestorben, so wäre die protestantische Linie wieder ans Regiment gekommen; so aber sah man sich Rom und den Jesuiten aufs Unabsehbare ausgeliefert. Die angeordneten Bittgottesdienste für die Herzogin waren schlecht besucht; nur wer mußte, kam.
    Aber der Herzog freute sich täppisch. Er sprach jedem von dem zu erwartenden Erben, breites Vergnügen über dem fleischigen, sanguinischen Gesicht, er machte derbe Witze, umgab Marie Auguste mit plumpen Rücksichten. Der war diese Schwangerschaft durchaus nicht gelegen gekommen. Sie fürchtete die Entstellung, sie fürchtete auch sonst Behinderung durch das Kind, sie hatte Angst und Ekel vor der Entbindung; überdies erschien ihr Mutterschaft an sich als etwas Genantes, Plebejisches, einer Aristokratin nicht Anstehendes. Sie dachte auch daran, die Schwangerschaft beseitigen zu lassen, ja, sie machte schon dem Doktor Wendelin Breyer Andeutungen solcher Art. Doch der Medikus verstand sie nicht oder wollte sie nicht verstehen. Mit weitläufigen, entschuldigenden Bewegungen sprach er mit seiner hohlen, angestrengten Stimme vom Glück der Mutterschaft, er bezog sich auf die Antike, erwähnte die Mutter der Gracchen undjene andere Heldenmutter, die ihren Sohn lieber auf dem Schild als ohne ihn zurückkehren sehen wollte. Seufzend, in Gedanken auch an die simpel generalsmäßige Einstellung des Herzogs, gab Marie Auguste es auf.
    Gierig hingegen und angenehm übergruselt hörte sie zu, wie Süß gelegentlich von Lilith erzählte, der Dämonenkönigin. Diese, die langhaarige, geflügelte, Adams erste Frau, hatte Streit mit ihrem Gatten; denn er war ihr beim fleischligen Verkehr nicht so zu Willen, wie sie es verlangte. Da sprach sie mit schwarzer Kunst den verbotenen Gottesnamen und flog nach Ägypten, dem Land alles bösen Zaubers. Seither, hassend Eva und jede gesunde Ehe, bedroht sie Wöchnerin und Säugling mit Fluch und argem Schaden. Doch es ereilten sie in Ägypten die drei Engel, die Gott ihr nachgesandt, Senoi, Sansenoi und Semangelof. Zuerst wollten sie sie ertränken; dann aber ließen sie sie frei, nachdem sie mit dem Eid der Dämonen hatte schwören müssen, keine Wöchnerin zu schädigen und keinen Säugling, die durch die Namen der drei Engel geschützt sind. Deshalb schützen die jüdischen Frauen ihr Wochenbett durch Amulette mit den Namen der drei Engel.
    Gekitzelt, leise überschauert, fragte die Herzogin vertraulich den Juden, ob er ihr nicht ein solches Amulett beschaffen könne. Gewiß könne er das, versicherte er eifrig ergeben. Sie erzählte dann bei Gelegenheit ihrem Beichtvater davon, dem Pater Florian. Der verwarnte sie wild und dringlich. Aber sie beschloß dennoch, sich das Amulett geben zu lassen. Besser war besser, und nach Benützung konnte sie es ja beichten.
    Im übrigen nahm sie ihre Schwangerschaft nach der ihr gemäßen Art in einer leichten, spöttischen Manier. Sie gab sich wie jemand, der, in leichtem Sommergewand in ein Gewitter geraten, die durchnäßten Kleider gegen Bauerntracht vertauscht und sich jetzt über solche Mummerei überlegen amüsiert.
    So saß sie am Weihnachtsabend gebrechlich und ziervoll, ganz in weißen, hauchenden Spitzen, aus denen überzart inder Farbe alten, edlen Marmors der Eidechsenkopf unter dem strahlend

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