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Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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verhüten, daß dies unschuldige Blut vergossen werde. Ihr könnt es hindern mit einem einzigen Federstrich. Sperrt Euer Herz nicht zu, Reb Josef Süß!« Und der feiste Rabbiner von Fürth fügtehinzu: »Wollt Ihr die ganze Judenheit im Stich lassen, weil Ihr Angst habt vor ein paar schalen Redereien, die sie könnten machen in der Landschaft?«
    Süß lehnte noch immer am Schreibtisch, schlank, höflich, elegant, und seine Ruhe war ein Damm gegen die Erregung der anderen, die schnaufend und sehr bewegt das kleine Kabinett füllten. Aus seinen wölbigen, braunen Augen schickte er einen raschen, bösen, hochmütigen Blick zu dem dreisten, eifernden Rabbi; aber er hatte sich sogleich wieder im Zaum und erwiderte gelassen: »Ich hab genug für die deutsche Judenheit getan, daß jeder sieht, es fehlt mir nicht an gutem Willen. Wäre ich Christ geworden, hätte ich mich abgekehrt von der Judenheit, nach dem römischen Kaiser wäre ich heute der erste Mann im Reich. Aber ich war nicht feig, ich hab mich hingestellt vor die Judenheit, ich hab es nicht hinausgebrüllt, aber ich hab es auch nie geleugnet, daß ich ein Jud bin.«
    »Dann bekennt Euch jetzt dazu! Jetzt, jetzt!« gurgelte zufahrend, drängend, den schweren, behaarten Kopf vorstoßend, der Rabbiner von Fürth.
    Doch Süß, mit größerer Kälte, sagte: »Ihr könnt doch sonst wägen, messen. Meßt doch! Wägt doch! Schaut weiter als in den Augenblick! Den Reb Jecheskel Seligmann Freudenthal anfordern? Ich wäge in der rechten Hand seinen Tod, in der linken die Verdrießlichkeiten, Schimpf, Gefahr, Komplikationen, die mich treffen, wenn ich ihn salviere.« Er hielt ein, schaute ruhig in die zehn Gesichter, die aufmerksam, erregt, gespannt in seines starrten. Er schloß leichthin: »Ich will mich heute nicht entscheiden. Aber es ist leicht möglich, daß, wäge ich so, ich keinen Sturm riskiere wegen einer Lappalie.«
    Auffuhren die Männer da. Empört fuchtelten Hände durch die Luft, öffneten sich Münder. Kleine Rufe: Ai! ai! Aufgebrachte, sich überstürzende, halbe Sätze. Gurgelnd, drohend darüber die unschmiegsame, ungebärdige Prophetenstimme des Rabbiners von Fürth: »Lappalie! Ein Menschwie Ihr, ein Jud, Euer Bruder, wird gemartert, soll hingerichtet werden voll Qual und Schmach, um nichts und wieder nichts. Mir steht das Herz still, wenn ich dran denke, daß ich soll müßig zuschauen. Und Ihr achselzuckt: Lappalie!« Und er drang schnaufend, feist und zornig auf ihn ein.
    Aber der kleine Rabbiner von Frankfurt schob ihn zurück. Mit seiner sehr alten, sanften Stimme sagte er: »Wir wollen Euch nicht drängen, Reb Josef Süß, wir wollten Euch nur bitten. Gott hat Euch sichtbarlich erhöht wie noch nie einen Juden in Deutschland. Er hat das Herz Eures Fürsten wie Wachs gemacht in Eurer Hand: wollet nicht das Eure verhärten vor der Not Eurer Brüder!«
    Die anderen waren ganz still geworden, während der alte Mann mit seiner nicht lauten Stimme dies sagte. Auch der Rabbiner von Fürth schwieg. Süß, nach einem Schweigen, erwiderte, und seine Stimme klang weniger sicher als sonst: Er habe ja keineswegs abgelehnt, einzugreifen. Bloß, wenn er nach reiflichem Erwägen nicht intervenieren könne, sollten sie ihn nicht für bösen Willens halten und seine Gründe verstehen.
    Damit gingen sie, und er geleitete sie höflich durch das Vorzimmer.
    Allein geblieben, ärgerte er sich. Er war wärmer geworden, als er beabsichtigt hatte. Er hatte ihnen einen Teil seiner wirklichen Gründe gezeigt. Warum eigentlich und wozu? Er hätte kühler, höflicher bleiben sollen, wie er es in wichtigeren und schwierigeren Unterredungen hundertmal gewesen war. Hier war doch eigentlich jedes Wort klar vorgeschrieben gewesen. Er hätte mehr und unverbindlicher versprechen sollen. Sie sind ja doch nicht zugänglich für feinere Argumente. Sie stieren zäh und wie behext immer auf das eine: sie wollen ihren lumpigen Jecheskel Seligmann salviert haben.
    Er ging in immer dickerer Verdrießlichkeit in seinem Kabinett auf und ab. Daß sie so gar nichts begriffen! Hatte er ihnen nicht in Frankfurt ungeheure Spenden zukommen lassen? Förderte er nicht, wo er konnte, ihren Handel? Schafftehier, dort, überall Erleichterungen? Wenn heute gegen die Landesgesetze mehrere hundert Juden im Herzogtum saßen, des war er alleinige Ursach. Wie hatten sie damals in Frankfurt ihn hofiert und die Hände vor ihm zusammengeschlagen! Und jetzt galt das alles nicht mehr, und sie wollten seine

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