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Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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aber an diesem Tag alle Juden in Deutschland, so über dreizehn Jahr alt waren, achtzigtausend an Zahl.
    Süß hätte die Deputation am liebsten nicht empfangen. Diese Leute waren töricht. Sie mußten sich doch selber sagen, wenn er hätte eingreifen wollen, hätte er es von alleine getan. So konnten sie ihn nur kompromittieren. Das Parlament wies immer energischer auf die längst nicht mehr beachteten, aber formal noch gültigen Gesetze hin, die die Anwesenheit von Juden im Herzogtum nur in Sonderfällen und mit vielen Verklausulierungen erlaubten. Von dem Herzog hatte er nicht mehr erlangen können als eine Erklärung, wasseinen Finanzdirektor und die von diesem zugelassenen Juden anlange, so lasse er sich die Hände nicht binden; im übrigen möge es bei den alten Vorschriften bleiben. Die Landschaft hatte daraufhin, den Eßlinger Fall nützend, diese alten, strengen Vorschriften neuerlich und mit Nachdruck veröffentlicht. Seltsam war, daß an der Spitze dieser Agitation im Parlament Weißensee stand. Wollte er seine katholische Intrige hinter dem Kampf gegen die Juden verstecken?
    Jedenfalls war unter solchen Umständen die jüdische Deputation überflüssig, wenn nicht schädlich. Andererseits waren es die angesehensten Männer deutscher Judenheit, die ihn zu sprechen wünschten; er mußte sie wohl empfangen. Hätte er ihrer Bitte stattgeben können, so hätte es ihm geschmeichelt, sie großartig als Schutzflehende anzuhören. So empfing er sie ungern, fest gewillt, sie mit einem hinhaltenden Bescheid zu entlassen.
    Eintraten die zehn jüdischen Männer, ungelenk, scharrend, hüstelnd, umständlich, das kleine Kabinett sehr füllend. Schlank, elegant, gemessen stand Süß den Schwerfälligen, Schnaufenden, Sich-bewegt-Wiegenden gegenüber.
    Es sprach Jaakob Josua Falk, der Rabbiner von Frankfurt: »Wir haben uns zusammengetan, die ganze Judenheit, und haben gewirkt mit Geld und mit Präsentern. Aber es hat nicht wollen fruchten. Denn das Volk ist sehr verhetzt, der Rat von Eßlingen will seine Judenheit schinden; es ist wohl auch, um Euch zu ärgern, weil Ihr so mächtig seid bei Eurem Herzog. Die Bosheit der Frevler ist groß, die Tücke Edoms hebt sich mächtig auf gegen Israel. Sie frißt Geld, aber sie wird nicht sanfter.«
    Da Süß nicht antwortete, sondern abwartend schwieg, begann der Rabbiner von Fürth, ein beleibter, bekümmerter, behaarter Mann: »Es ist keine Hilfe mehr, Reb Josef Süß, nur bei Euch. Der Reb Jecheskel Seligmann Freudenthal ist zuständig nach Württemberg. Wir bitten Euch, daß Ihr verlangt seine Auslieferung an den Herzog, daß seine Sach kann verhandelt werden nach württembergischem Recht. Es ist keineandere Hilfe mehr«, schloß er, dringlich fordernd, gurgelnd, nah an Süß heranrückend.
    Der lehnte an seinem Schreibtisch, höflich, elegant, unberührt. »Der Jud Jecheskel Seligmann«, erwiderte er sachlich, »hat keinen ordentlichen Konsens von mir, er steht nicht in meinen Listen; es ist zweifelhaft, ob er nach dem Herzogtum zuständig ist. Die Stadt Eßlingen wird opponieren bei Kaiserlicher Majestät in Wien, die Landschaft wird sich dreinmelieren. Es ist nicht opportun, daß ich seine Auslieferung verlange.«
    »Nicht opportun!« eiferte der Rabbiner von Fürth. Aber der kleine, welke, milde Rabbiner von Frankfurt fiel ihm ins Wort: »Ihr habt viel für uns getan. So haben wir gehofft, daß Ihr uns werdet helfen auch diesmal, damit nicht vergossen werde dies unschuldige Blut.« Doch der dicke, hitzige Rabbiner von Fürth ließ sich nicht beschwichtigen. »Nicht opportun!« erregte er sich. »Ein Menschenleben retten, einen Juden retten, der nichts getan hat, nur daß er Jud ist, nicht opportun!«
    »Ihr seht immer nur eins, Rabbi unser Lehrer«, erwiderte Süß, und er blieb höflich und ruhig und gab ihm seinen Titel. »Ich muß weiter sehen, Zusammenhänge sehen, Zukunft sehen. Gesetzt den Fall, ich könnte den Reb Jecheskel Seligmann retten, dann müßte ich solche Rettung bezahlen mit Konzessionen an die Stadt Eßlingen, an den Kaiser. Ich kann mir solche Mildherzigkeit nicht gestatten. Ihr habt Euer simples, klares Prinzip: da ist ein Jud, der soll nicht sterben. Ich darf nicht so einfach handeln; ich muß rechnen, zählen, wägen. Ihr habt bloß Eure jüdischen Sorgen, ich hab tausend andere.«
    Mit seiner milden, zittrigen Stimme erwiderte Jaakob Josua Falk, der Rabbiner von Frankfurt: »Wie viele in Israel gäben ihr ganzes Hab und Gut und mehr als das, um zu

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