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Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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dir.« Dann ging er, gefolgt von Jantje, der dicken, watschelnden Zofe, die er in ihre Heimat bringen wollte. Süß sah seinen breiten, gedrungenen, leicht runden Rücken in der altfränkischen Tracht zwischen den Blumenterrassen, dann im Wald verschwinden. Ganz leise hatte er gewünscht, der Rabbi möchte sich noch einmal wenden. Doch mit seinem so schwerfälligen wie steten und unbeirrbaren Schritt stapfte er geradeaus und fort.
    Wenige Tage später verließen auch Süß und der alte Diener das weiße Haus. Nun lag der kleine, fremdartige Bau ganz ohne Laut in besonnter Einsamkeit. Die Räume standen schmerzhaft kahl, die weißen Fensterläden waren abweisend und gespenstisch zugenagelt, die festlich heiteren Blumen verdarben, und niemand erneute sie. Geraun erhob sich um das verlassene, seltsame, hochmütige Gebäu; kindisch blutrünstige Phantastereien wurden darum gewoben, drangen bis in die Hauptstadt. Im Wirtshaus »Zum Blauen Bock« flüsterte der Konditor Benz, die Schweinsäuglein weit und bedeutsam aufgerissen, den übergrausten Gästen das neueste Geheimnis zu: in einem Wald habe die hebräische Hexelenz eine versteckte Zauberwerkstatt. Aus dem Blut von christlichen Jungfrauen, die er unter Martern gebunden vom Dach stürze, daß sie sich unten an eisernen Blumen aufspießten, koche er einen Teufelssud, sich die Sympathie des Herzogs immer neu zu gewinnen. Satanas gehe in dem Hexenschloß ein und aus in Gestalt eines fetten Mannes mit Schwanz und Horn und Pferdefuß.
    Die Zofe Jantje hatte eine Katze gehabt, ein schwarzgraues, altes, unedles Tier. Rabbi Gabriel hatte die Katzenicht leiden mögen, und Jantje wagte nicht, sie auf die weite Reise mitzunehmen. Nachdenklich, bei wem das Tier am besten gewartet sei, kam sie auf den Magister Jaakob Polykarp Schober. Der Magister war, sooft es anging, an Naemis Weg gestanden, hatte fromme, ehrerbietige Worte zu ihr gesprochen, hatte auch etliche zaghafte Versuche gemacht, sie zu seinem sauberen, tiefsinnigen Glauben zu erwecken; vor allem hatte er sie durch inbrünstige Rezitation seiner Verse zu retten versucht. Als sie aber solche Bemühungen brennend und empört zurückwies, hatte er abgelassen und sich begnügt, sein Herz in Züchten an ihrem englischen Anblick zu erfreuen. Wie sie dann so plötzlich weggerafft war, ging der pausbäckige Mann tagelang in tiefster, schmerzhaftester Beklommenheit herum, fahl, die Kinderaugen vogelhaft verstört, angefüllt von innerem Vorwurf, daß er sie nicht mit mehr Eifer aus dem falschen, giftigen Fluß ihres Lebens in das gute Meer Gott hineingesteuert habe. Er war dann am Weg gestanden, als der kleine Sarg aus dem weißen Haus getragen wurde, mit einem Kranz einfacher Blumen, und er war in der Seele betrübt, als die vier finsteren Männer, die den Sarg trugen und die ausschauten wie dunkle und falsche Propheten, seine freundwillige Gabe nicht nahmen. Verdüstert ging er nach Hause, nahm Kiel und Papier zur Hand und schrieb eine gereimte »Totenklage, auch Nänie genannt, für die abgelebte Demoiselle Naemi Süßin, Jüdin, doch ehrbar«, ein Poem, welches anhub mit den Versen: »Itzt hat der harte Tod, so vielen Übels Quelle, / Hinabgerafft auch dich, ebräische Demoiselle.« Dieses Poem rezitierte er dann der Zofe Jantje, wobei ihm wie ihr dicke, bittere Tränen kamen.
    Dem gutmütigen, redlichen Menschen also anvertraute die Zofe ihre schwarzgraue Katze, und er empfing sie gern und mit freundlichen Vorsätzen. Bei diesem Anlaß sah Süß den Magister. Der Jude ging jetzt, wenige Tage, bevor das Haus mit den Blumenterrassen verlassen wurde, um für immer in weiße Stille und Vergessenheit zu versinken, in großer Unrast und Getriebenheit herum. Stand zwischen den Tulpen, vor derWand, in die der himmlische Mensch, der kabbalistische Baum gezeichnet war. Wie er den Magister sah, winkte er ihn herrisch her, tat ihm einige rauhe und hochmütige Fragen. Jaakob Polykarp Schober, der vor jeder Freundlichkeit schüchtern und sanft war, sah in dem heftigen und finstern Gewese des Juden eine Prüfung und Versuchung, vor der er seine angeborene Feigheit sogleich in die letzten Winkel zurückschickte. Der pausbäckige Mann richtete sich also herzklopfend, schnaufend und streitbar hoch und rüstete sich, die Katze im Arm, den Satanas Finanzdirektor mit der scharfen, guten Waffe seiner Gläubigkeit zu bestehen und ihn auf den rechten Weg zu zwingen. Süß, der durch Magdalen Sibylle von dem Magister wußte, auch über seine

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