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Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Schlösser und Forts barsten von Truppen. Alle Festungen, Asperg, Neuffen, Urach, Hohentwiel, das starke Schloß Tübingen warenmit den Künsten modernster Strategie instand gesetzt worden; der schlechte Weg auf den Asperg mußte in Tag- und Nachtschichten in der Fron ausgebessert werden. Ein glänzend organisierter Nachrichtendienst durch besondere Kuriere, die Vogtläufer, besorgte die Verbindung zwischen den einzelnen Festungen. Die Pulvermühlen des Landes, vor allem die ausgedehnte Fabrik des Hans Semminger, arbeiteten Tag und Nacht, Schieß- und Zündkraut herzustellen. In endlosen Transporten wurden Kanonen und Munition herbeigeschafft; das Volk, wenn es die geheimnisvollen Wagen sah, behauptete, sie enthielten lauter Rosenkränze für die vorhabende Bekehrung; aber sie bargen andere Kugeln.
    Einer jener Vogtläufer, ein gewisser Bilhuber, geriet in der Nähe von Nürtingen ins Geräufe mit Johannes Kraus, dem Sohn des Stuttgarter Stadtmetzgers. Dabei nahm der Bürgerssohn dem Kurier seine Depeschen ab, Schriftstücke, die vom Eintreffen fremder Hilfsvölker handelten und die staatsverräterischen Pläne der Katholischen ins hellste Licht rückten. Der Herzog wollte den Kraus verhaften lassen. Doch der hatte sich schon nach der freien Reichsstadt Reutlingen und ein paar Tage später nach der Reichsstadt Eßlingen geflüchtet, wo sich eine größere Kolonie verfolgter verfassungstreuer Emigranten aus herzoglichem Gebiet gesammelt hatte.
    Kraus hatte die kompromittierenden Depeschen dem Bürgermeister von Stuttgart übergeben, der parlamentarische Ausschuß ließ sie vervielfältigen, verbreitete sie im Volk. Dieser Beweis der unmittelbaren Bedrohung des Glaubens stieß auch die Ruhigsten aus ihrem Frieden. Überall bildeten sich Konventikel und Geheimbünde zur Erhaltung der Religion, Bürger und Bauer versahen sich insgeheim mit Waffen, die beherzte Zunft der Schuhmacher und Küfer in der Hauptstadt entlehnte sich von den Zunftgenossen der Freistadt Eßlingen Schrot- und Standbüchsen; aus dem Stuttgarter Zeughaus sogar verschwanden mehrmals Waffen in größeren Stapeln auf rätselhafte Art, die friedfertigsten Kleinbürger aber wiesen plötzlich schmunzelnd und mit ängstlichem Stolz ihrenFreunden versteckte Gewehre. So hochauf gor es, daß der Herzog seine persönlichen Garden verstärken, den Erbprinzen außer Landes zu seinem Großvater, dem Fürsten von Thurn und Taxis, in die kaiserlichen Niederlande schaffen lassen mußte. Selbstverständlich erwog Karl Alexander unter solchen Umständen eine gewaltsame, methodische Entwaffnung des ganzen Landes; er bereitete ein Edikt vor, das unter dem Vorwand des zunehmenden Wilderns eine solche Entwaffnung anordnete. Aber das Waffentragen gehörte zu den bürgerlichen Grundrechten, war in der Verfassung festgelegt; wollte man Bürgerkrieg vermeiden, so mußte man mit der Veröffentlichung des Edikts bis zur Durchführung des Staatsstreichs warten.
    Doch konnte der Herzog wenigstens bei der berittenen Stuttgarter Bürgergarde die Einstellung der Waffenübungen erzwingen. Kommandant dieser stärksten Milizgruppe des Herzogtums war der Major von Röder, jener Offizier aus dem intimsten Freundeskreis Karl Alexanders. Er war guter Protestant und gleichzeitig Remchingens bester Adjutant bei der militärischen Organisation des katholischen Projekts. Der dumpfe, enge Mann fand den geplanten Staatsstreich durchaus in der Ordnung, verstand nicht die Aufregung ringsum, sah überall nur Verhetzung und bösen Willen. Wenn der Herzog mehr Raum für die Katholiken haben wollte, warum denn nicht? Das Land war groß, Platz für Kirchen war da. Verfassung? Parlament? Freiheit? Unsinn. Wichtigmacherei, aufmuckende Pöbelfaulheit, die mehr fressen und weniger arbeiten wollte. Was schrien denn die Burschen? Er war doch, Kreuztürken!, ein guter Protestant, und hatte ihn doch noch nie jemand im geringsten gehindert. Konnte jedermann in die Kirche gehen, wann und wie es ihm beliebte, und die Herren Überschläge – so nannte er die Prälaten und Prediger – nahmen, weiß Gott, das Maul voll genug, ohne daß sie der Herzog und sein Kabinett genierten und schikanierten. Die Welt war so einfach. Man mußte nur ein bißchen guten Willen haben, treu sein, brav sein und vor allem seinem gottgewolltenFürsten gehorsamen. Merkwürdig war, daß Herr von Röder trotz solcher Anschauungen, seiner intimen Freundschaft mit dem Herzog, der führenden Stellung im katholischen Projekt beim Volk

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