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Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Negligé, blätterte im »Mercure galant«, hetzte manchmal heimlich, spitzbübisch lächelnd, ihr winziges Chineserhündchen gegen die Beine des Redners; doch der, ein wenig schwitzend zwar, ließ sich nicht aus dem Konzept bringen.
    In ihrer Not und Bedrängnis beschloß die Bürgerschaft, nochmals eine Deputation zum Herzog zu schicken, ernst, doch mit Untertanendemut, ihm Vorstellungen zu machen. Um Karl Alexander nicht zu reizen, sandte man keine Mitglieder des Elfer-Ausschusses, deren bloßer Anblick schon ihn rasen machte, sondern drei stille, würdige Bürger, gesetzt von Ansehen und Gemüt. Sie fuhren nach Ludwigsburg, wo der Herzog seine Rüstungen betrieb. Bevor sie ins Schloß aufbrachen, nahmen sie Imbiß und ein Glas Wein im Gasthof. Der eine sagte: »Das ist eine kleine Stärkung vor einem so schweren Gang.« – »Wenn des Herzogs Gemüt so trüb ist wie heute der Tag«, sagte der zweite, »dann scheint uns keine Sonne.« – »Sei alles Gott befohlen!« sagte der dritte.
    Vor der Türe des Saals, in dem Karl Alexander sie empfing, hockte Otman, der Schwarzbraune. Er hörte dumpf die wutschnaubende, heisere Stimme des Fürsten: »Ketzer, Mörder, Hochverräter!« Fußgestampf dann, nach und nach endigend. Nach wenigen Minuten schon sah er die Männer zurückkehren, zweie erst, sehr bald auch den dritten. Er sah sehr wohl, wie verschreckt und verstört sie waren, er sah ihnen nach mit seinen großen, bräunlichen Tieraugen, und er lächelte tiefund leise. Hastig stiegen die Männer die Treppe hinab, sprangen in die wartende Kutsche, nahmen sich nicht die Zeit, ein herausgefallenes Barett aufzuheben. Sie saßen schweigsam während der Fahrt, nur der Älteste, einmal, betete laut und aus großer Bedrängnis: »Herr Zebaoth, aus der Tiefe schreien wir zu dir, laß uns Hilfe kommen aus deinen Bergen.« In Stuttgart warteten viele auf die Rückkehr der Deputierten. Als sie die Gesichter sahen, zerstreuten sie sich kopfhängend und mit gepreßter Brust.
    Sehr anders als das herzogliche Gebiet protestierten die freien Städte gegen die Umtriebe der Katholischen. Besonders in Eßlingen wurde Karl Alexander jetzt Tag für Tag öffentlich beschimpft und verhöhnt. Hier war eine größere Kolonie von Emigranten aus dem Herzoglichen, von Unterdrückten, widerrechtlich Beraubten, Vertriebenen. Johannes Kraus hatte sich hergeflüchtet, der junge Michael Koppenhöfer saß hier, der uralte Christoph Adam Schertlin, den nur mehr der Haß aufrechthielt. Der fressende, Eingeweide aufwühlende Hohn dieser aller, ihre giftigen, glühenden, schwelenden Reden. Ängstlich in ihre Häuser verschlossen sich die paar Anhänger des Herzogs; etwelche Katholiken auf der Durchreise wurden verprügelt. Den Expeditionsrat Fischer, früher Kammerfiskal, Vater der Sophie Fischerin, der abgedankten Mätresse des Süß, der in Geschäften in der Stadt war, wollten Eßlinger Bürgersöhne, nachdem sie ihm in seinem Gasthof eine Katzenmusik gebracht hatten, lynchen; nur mit Mühe konnte die Stadtwache den aus dem Bett Geschreckten, notdürftig Bekleideten schützen, in aller Hast brachte sie den fetten, schlotternden Mann aus dem Bannkreis der Stadt.
    Zum Skandal und offenen Konflikt mit dem Herzog kam es am Sonntag der Buß- und Betwoche. In der Nacht vorher hatten, von der sich blind stellenden Stadtpolizei unbehelligt, junge Burschen zwei Strohpuppen, als der Herzog und sein Jud gekennzeichnet, an den Schandpfahl gebunden, diffamierende, unflätige Inschriften dazugeschrieben. Den ganzenSonntag beschaute sich lachend, grölend, hänselnd, schreiend, pfeifend, mit schenkelschlagendem Behagen vom Greis bis zum Hosenmatz die ganze Stadt das Schandwerk. Gegen Abend dann wurde ein Scheiterhaufen errichtet, die Puppen feierlich darauf gefesselt, ein paar jener Bilder, auf denen der Herzog mit seinen siebenhundert Axtmännern Belgrad stürmt, mit Kot beschmiert, um die Puppen gereiht, das Ganze schließlich mit parodistischem Zeremoniell angezündet. Loh brannten die Puppen, gellend kreischte das entzückte Volk, drehte sich, puffte sich, krümmte sich in jaulendem, japsendem Vergnügen.
    In der Menge stand der junge Michael Koppenhöfer, die starkblauen Augen in dem bräunlichen Gesicht brannten Begeisterung, tief atmete er: Oh, daß alle Tyrannen so endeten! In der Menge stand der alte Christoph Adam Schertlin, dunkel rasselte es aus seinem dürren Hals, sein Rohrstock stieß gegen den Boden, rhythmisch wie im Tanz, sein mumienbraunes,

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