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Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Landschaft wartete, und er begann sich zu langweilen. Er hatte sich in Venedig und auch sonst wie so viele andere große Herren mit Sternlesekunst und anderer Magie abgegeben, vor allem sein Freund, der Fürstabt von Einsiedeln, beschäftigte sich viel mit solchen Dingen. Erst in Würzburg hatte er wieder von einem Magus erzählt, den er jetzt an seinem Hof hielt und in den er großes Vertrauen setzte. Der Prinz verlangte also von Süß geradezu, er solle ihm den Kabbalisten beibringen und vor ihn hinstellen. Süß wand sich und drehte sich. Er wußte, Rabbi Gabriel wird sich zu solcher Schaustellung nie hergeben. Schließlich fand er einen Ausweg. Wenn der Rabbi bei ihm sei, werde er dem Prinzen Botschaft schicken. Suche dann der Prinz ihn auf, so ergebe sich zwanglos eine Zusammenkunft mit dem Rabbi. Karl Alexander erklärte lachend sein Einverständnis.
    Der Kabbalist sagte zu Süß: »Ich werde also das Mädchen ins Schwäbische bringen. In der Nähe von Hirsau hab ich ein kleines Landhaus gefunden, ganz abgelegen. Laß das Haus kaufen. Es ist mitten im Wald, weitab von den Menschen. Nichts Schlechtes kann dort an sie hin.«
    Süß nickte stumm. »Es wäre gut«, fuhr Rabbi Gabriel mit seiner knarrigen Stimme fort, »wenn auch du dich wegmachtest aus dem Leben hier und deinen Geschäften. Wenn du in der Stille bist, am Ufer, dann siehst du, daß dein Rauschen und Getrieb wirbelndes Nichts ist. Es ist Narrheit, daß ich an dich hinrede«, schloß er unwirsch. Er sah das Gesicht des Süß, er sah Fleisch und Knochen und Blut und kein Licht, und er war zornig auf jene tiefe und heimliche Bindung, die ihn gerade an diesen Menschen zwang zu immer weiterenNiederlagen. Oh, wieviel Ströme mußten kreisen, bis aus diesem Stein Leben sprang.
    Wie er gehen wollte, ward die Türe aufgerissen, und an Dienern in Haltung vorbei kam der Prinz ins Zimmer, leicht hinkend, lärmend: »Ah, Er hat Besuch, Süß?«, und warf sich in einen Sessel. Rabbi Gabriel neigte sich, nicht tief und ohne Hast, und beschaute gleichmütig und aufmerksam den Prinzen, während Süß in tiefer Verbeugung stand. Vor dem ruhigen, trübgrauen Auge des Kabbalisten verlor der Prinz seine polternde Sicherheit, ein peinliches Schweigen legte sich zwischen die drei, bis Süß es löste: »Dies ist Seine Hoheit, Oheim, der Prinz von Württemberg, mein erhabener Gönner.« Da Rabbi Gabriel noch immer schwieg, sagte der Prinz, und sein Lachen klang nicht ganz frei: »Er ist wohl der geheimnisvolle Fremde, von dem hier alles schwatzt? Er ist Alchimist, kann Gold machen, was?«
    »Nein«, sagte Rabbi Gabriel, unerregt. »Ich kann kein Gold machen.«
    Der Prinz hatte den Handschuh ausgezogen, wippte ihn gegen den Schenkel. Aus dem massigen, bartlosen Gesicht mit der kleinen, platten Nase starrten ihn unbehaglich die viel zu großen grauen Augen an mit traurigem, trübem Feuer. Er hatte sich den Magus ganz anders vorgestellt; er erinnerte sich des amüsierten Kitzels, mit dem er gewissen magischen Séancen sonst beigewohnt hatte. Das hier war so dumpf, als wiche langsam die Luft aus dem Zimmer.
    »Ich habe viel Interesse für alchimistische Experimente«, sagte er nach einer Weile. »Wenn Ihr zu mir ziehen wollt, nach Belgrad« – er gebrauchte jetzt das höflichere Ihr –, »ich bin nicht reich, Euer Neffe weiß das wahrscheinlich besser als ich, aber ein auskömmliches Jahrgehalt wird zu beschaffen sein.«
    »Ich bin kein Goldmacher«, wiederholte der Kabbalist.
    Wieder das Schweigen, das trist rinnend, lähmend das Zimmer füllte, sich um die Menschen legte, ihre Sicherheit, Unbedenklichkeit wegdrängte. Plötzlich, mit einer jähen Bewegung,als wollte er Fesseln mit Gewalt zerhauen, riß der Prinz die linke Hand hoch, dem Kabbalisten vors Auge. »Aber das könnt Ihr mir nicht abschlagen, Magus!« lärmte er mit einem bewölkten Lachen. »Sagt mir, was Ihr drinnen lest!« und drängte ihm die Handfläche vor das Gesicht. Es war eine merkwürdige Hand. Während ihr Rücken schmal, lang, behaart, knochig erschien, war ihr Inneres fleischig, fett, kurz.
    Rabbi Gabriel hatte einen Blick auf die Hand nicht vermeiden können. Eine wilde, erschreckte Bewegung kaum unterdrückend, wich er einen halben Schritt zurück. Beklommenheit, grauer noch, enger, drückender, nebelte herab. »Sprecht doch!« drängte der Prinz. »Ich bitte Euch, erlaßt es mir!« entgegnete, kaum noch gefaßt, der Kabbalist.
    »Wenn Ihr mir Schlechtes zu prophezeien habt, glaubt Ihr, ich falle

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