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Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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herzoglichen Kabinett verfolgte Geheimrat Schütz aufmerksam und bewundernd alle Schachzüge der Gräfin. Er ließ sie lange gewähren; dann aber bremsten er und der Bruder der Gräfin jäh und wirksam. Bei den Reichsrittern war einzusetzen. Der Herzog, selbstherrlich, haßte diese Körperschaft und lag ständig mit ihr in Fehde. Er lief rot an, nannte man nur den Namen, und hatte blindwütig mit eigener Hand aus dem Kirchenlied: »O heiliger Geist, kehr’ bei uns ein«, die Verse gestrichen: »Laß uns dein’ Salbungskraft empfinden, stärk’ uns zu deiner Ritterschaft«. Aber diesmal mußte er sich überwinden, er mußte nachgeben. War die Ritterschaft der Teufel, so war die Gräfin seine Großmutter. Er anerkannte also die Klage der Ritter, entschuldigte sich höflich und in bester Form und gewährte auch andere Genugtuung, vor allem war er bereit, in einer strittigen Frage über die Befreiung der Ritter vom Weinzoll nachzugeben. Da bei weiterem Widerstand nur Ehre, bei Nachgeben aber etwa siebzigtausend Guldenzu gewinnen waren, zog die Ritterschaft ihren Protest zurück. Damit war auch die Wiener Klage erledigt.
    Der Wind war aus den Segeln der Gräfin genommen, überall flauten ihre Anhänger ab. Schütz benutzte ungesäumt diese Flauheit, dem Handel für alle Zeit ein Ende zu machen. Die Gräfin wurde nach der Festung Hohen-Urach gebracht in engeren Gewahrsam, niemand von ihren Freunden hatte Zutritt. Die Dämme, bisher der Volkswut entgegengestellt, wurden niedergerissen. Allerorts erschienen Pasquille und schmähliche Karikaturen, in Kannstatt wurde eine Puppe mit den Zügen der Gräfin unterm Gejohl des Pöbels erst ins Hurenhaus gebracht, dann gestäupt und auf den Schindanger geworfen.
    Unterdes suchte die Mutter ihren ältesten Sohn auf. Der aalglatte, eiskalt hochmütige Minister saß vor der schimpfenden Greisin geduckt wie ein Hosenmatz. Er legte dar, der Übermut und politische Ehrgeiz der Schwester hätte auf die Dauer sie alle ins Unglück gestürzt, so habe er eingreifen müssen. Jetzt, wo sie politisch außer Spiel gesetzt sei, werde er sein Bestes tun, ihren Abgang zu retten. Er denke nicht daran, ihr Vermögen anzutasten.
    Der Vergleich, den man der Gräfin vorlegte, war denn auch von Anfang an günstig. Es zeigte sich, wie fein Isaak Landauer alles eingefädelt hatte. Alle Welt war interessiert, der Gräfin in Württemberg liegendes Vermögen zu retten. Der kaiserliche Gesandte, ihr Bruder, der Sachwalter des Kammergutes, wer immer in der Affäre mitzureden hatte, wirkte in solchem Sinn. So mußte sie zwar ihre Güter Brenz, Gochsheim, Stetten, Freudenthal abtreten und sich zu der Zusage bequemen, keine Forderungen und Ansprüche weiter an das fürstliche Haus zu machen, desgleichen das Herzogtum nie wieder zu betreten: aber Isaak Landauer hatte eine letzte ungeheure Summe für sie erpreßt, deren Höhe selbst ihre Juden nur zu flüstern wagten, und die Nutznießung vieler Liegenschaften blieb ihr auf Lebenszeit. Sie zählte zu den vermögendsten Damen des Römischen Reichs, als sie das Herzogtum verließ.
    Eine starke militärische Eskorte begleitete sie außer Landes.Ihre Straße war gesäumt von johlendem, Kot schmeißendem Volk. Vor ihr, hinter ihr, in endloser Reihe schleppten Wagen Kleider, Hausrat, Zierat.
    Erst als das letzte Stück über der Grenze war, folgte, allein in der Kutsche, erdfarben, kolossig, unbeweglich die Alte.
    Bei dem Prälaten von Hirsau, Philipp Heinrich Weißensee, Konsistorialrat und Mitglied des engeren parlamentarischen Ausschusses, war ein Gast eingekehrt, der Geheimrat Fichtel vom Hof des Würzburger Fürstbischofs. Die beiden Herren waren seit Jahren befreundet, der schlanke, weltmännische Protestant und der unscheinbare Diplomat des Fürstbischofs mit dem kleinen, klugen Gesicht. Beide passionierte Puppenspieler, undurchsichtig für ihre Umgebung, schlossen sie sich gegenseitig die Mechanik ihrer Künste auf, freuten sich kennerisch an dem feinen Getriebe der zahllosen Fädchen württembergisch-protestantischer Parlamentspolitik und höfischkatholischer Diplomatie. Der Jesuitenschüler wie der protestantische Prälat liebten die Politik um ihrer selbst willen; wenig lag ihnen am Ziel, viel an seiner kunstgerechten Verfolgung.
    Im Herzogtum schätzte man Weißensee, aber er war den meisten unbehaglich. Seine gelassene Liebenswürdigkeit und die leicht skeptische Überlegenheit seiner weitschichtigen Bildung legten eine feine Wand von Fremdheit und

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