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Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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in Freisen wie eine blutarme Jungfer? Ich bin in hundert Schlachten gestanden, ich habe mich übers Sacktuch duelliert, der Tod ist mir um Fingerbreite vorbeigepfiffen.« Er versuchte zu lachen. »Glaubt Ihr, ich kann’s nicht hören, wenn ein alter Jud mir Unheil wahrsagt?« Und da der andere schwieg: »Kriecht nicht in Starrsinn wie eine Schildkröte in ihr Haus! Heraus mit der Sprache, mein Kalchas, mein Daniel!«
    »Ich bitte Euch, erlaßt es mir!« sagte der Kabbalist. Er hob nicht die Stimme, aber seine Augen schauten, vereiste Seen, auf den Prinzen, daß der einen Augenblick kein Wort fand. Scharf, tief, kurz zackten die drei Furchen in die breite Stirn des Rabbi wie ein fremder, unheimlicher Buchstab. Aber da sah der Prinz den Süß, der gespannt und verängstigt zurückgewichen war, und er bäumte hoch, daß er so lächerlich und klein vor dem Alten stehe, und, ihm nochmals die Hand vor die Augen drängend, schrie er herrisch: »Rede!«
    Rabbi Gabriel sagte, und sein mürrischer Alltagston fiel unheimlicher in die Erregung des Prinzen, als alle großen Gesten und magisches Gewese es hätten tun können: »Ich sehe ein Erstes und ein Zweites. Das Erste sag ich Euch nicht. Das Zweite ist ein Fürstenhut.«
    Der Prinz, verblüfft, lachte durch die Nase. »Mille tonnerre! Ihr gebt’s dick, Herr Magus. Ganz Gold und Purpur. Nicht so obenhin wie sonst ein Chiromant und Astrologus: großer Glanz und Gloire oder so. Sondern rund und nett und klar ein Fürstenhut. Kotz Donner! Da kann sich mein Vetter freuen.«
    Rabbi Gabriel erwiderte nicht. »Ich reise heute abend«, wandte er sich an Süß. »Es bleibt bei dem, was ich dir sagte.« Er neigte sich vor dem Prinzen, ging.
    »Er ist nicht sehr höflich, Sein Oheim«, sagte Karl Alexander zu Süß und versuchte, seine Betretenheit zu zerlachen. »Sie müssen ihn entschuldigen, Hoheit«, beeilte sich der Jude zu erwidern und mühte sich, auch er, seiner Erregung Herr zu werden. »Er ist knurrig und ein Sonderling. Und wenn auch seine Manier zu beklagen und zu tadeln ist«, schloß er, wieder beherrscht und der alte, »was er zu sagen hatte, war um so erfreulicher.«
    »Ja«, meinte der Prinz, vor sich hin schauend und mit dem Degen Linien des Fußbodens nachzeichnend, »aber das, was er verschwieg.«
    »Er hat so seine Kauzgedanken«, beschwichtigte Süß. »Was er für wichtig hält und für ein großes Malheur, darüber lacht unsereiner, der das Leben anschaut, wie es wirklich ist. Ein Fürstenhut ist was Reales. Das Unheil, von dem er nichts verraten wollte, ist sicher Geträume für unsereinen und überhirnisch Zeug.«
    »Der Fürstenhut!« lachte der Prinz. »Sein Oheim sieht bedenklich weit. Muß der Tod noch groß reine waschen, ehe daß ich an der Reihe bin. Vorläufig lebt mein Vetter noch und dann sein erwachsener Sohn und denken nicht daran, um die Ecke zu gehen. Hat vielmehr mit seiner Frau Herzogin Friede geschlossen, daß er ihr noch mehr lebendige Kinder mache.« Der Prinz stand auf, streckte sich. »Ho, Jud! Will Er mir eine Hypothek geben auf den württembergischen Thron?« Und schlug ihn laut lachend auf die Schulter. Süß schaute ihm ehrerbietig ins Auge: »Ich stehe Eurer Hoheitzur Verfügung mit allem, was ich habe. Mit allem, was ich habe«, wiederholte er. Der Prinz hörte zu lachen auf und schaute den Finanzmann an, der sehr ernst und mit größerer Ehrfurcht noch als sonst vor ihm stand. »Genug der Spaß!« sagte Karl Alexander plötzlich, rückte die Schultern, als würfe er etwas Fremdes und Lästiges von sich, und strammte sich. »Die kleine Kosel hat mich um türkische Schuhe gebeten«, sagte er dann in seinem alten Ton, »mit kleinen blauen Steinen. Schaff Er sie mir, Jud! Und das Beste!« Und während er hinausging, leicht hinkend: »Aber daß Er mich nicht mehr bescheißt als um drei Dukaten.« Und er lachte schallend.
    Rabbi Gabriel verließ Wildbad mit der gewöhnlichen Post. In seinem soliden, etwas altfränkischen Rock, wie man ihn in Holland vor zwanzig Jahren getragen hatte, dicklich, den Rücken leicht rund, sah er aus wie ein verdrießlicher Bürger oder wie ein mürrischer hoher Beamter. Bevor er kam, hatte in der Postkutsche muntere Unterhaltung geflattert, jetzt saß man stumm und ungemütlich, und Rabbi Gabriels Nachbar rückte unmerklich von ihm ab.
    Kaum aus dem Ort, begegnete die Post einer prunkhaften Reisegesellschaft. Es war der Fürst Anselm Franz von Thurn und Taxis, der Regensburger, der mit Glanz und großer

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