Jud Sueß
hatten immer für modische Dinge großes Interesse. Auch wollte er ihm von dem gestrigen Fest erzählen. Aber so grimmig hatte er ihn nie gefunden. Nackt und mächtig stand er da, während Neuffer und der Schwarzbraune ihn mit Kübeln Wassers übergossen und immer wieder abrieben. Er schmiß ihm den Brief der Landschaft hin, und während Süß geduckt und hurtigen Auges ihn überflog, polterte er triefend, prustend auf ihn ein: »Ein netter Magus, Sein Oheim!Mit dem hat Er mich sauber angeschmiert! Schaut gut aus, meine Krone!«
Süß war ehrlich erbittert über die grobe Ablehnung der Landschaft und schickte sich an, dem Prinzen in gewandten Worten seine zornige Verachtung solcher Flegelei und seine tatbereite Ergebenheit zu versichern. Aber der Prinz, gereizt gegen jedermann, wie er den Süß elegant, mit dem gemeinen Brief in der Hand stehen sah, befahl plötzlich: »Neuffer! Otman! Taufts den Juden! Er soll schwimmen lernen!« Und der Kammerdiener und der Schwarzbraune gossen sogleich in mächtigem Schwall das Waschwasser gegen Süß, kläffend drang der Hund des Prinzen auf ihn ein, und der Jude retirierte eilends und erschreckt, die Hosen und die neuen Strümpfe patschnaß, die Schuhe verdorben, hinter ihm das schallende Lachen des Prinzen und der Diener.
Süß nahm es dem Feldmarschall nicht weiter übel. Große Herren hatten solche Launen, das war nun einmal so. Sie hatten das Recht dazu, man mußte sich darein finden. Und während er die nassen Kleider wechselte, überlegte er, er werde sich das nächste Mal ebenso höflich präsentieren, ja noch devoter als bisher, und vermutlich besser aufgenommen werden.
Am gleichen Tag traf der würzburgische Geheimrat Fichtel ein. Der unscheinbare Mann mit dem kleinen, klugen Gesicht suchte noch am Nachmittag den Prinzen auf. Ja, am Würzburger Hof wußte man bereits von der unvermuteten und ganz besonderen Insolenz der Landschaft. Der Herr Fürstbischof sei tief ergrimmt und voll Verachtung für solch erbärmliche und freche Knauserei, die diese dummdreiste Populace einem so großen und hochberühmten Feldherrn zu Schimpf getan habe. Aber sein Herr habe in seiner Weisheit ein anderes Heilmittel gefunden, das der Not des Prinzen abhelfen könne und der arroganten Rotüre zum Exempel und großem Ärger dienen werde.
Bevor er sich aber weiter explizierte, bat er um gnädige Erlaubnis, sich den Kaffeetrank bereiten zu dürfen, den er gewohntwar. Als er dann, neben dem stattlichen Prinzen doppelt unscheinbar, vor der heißen schwarzen Brühe saß, setzte er sacht und sachlich das Heiratsprojekt mit der Thurn-und-Taxisschen auseinander, der schönsten Prinzessin im Römischen Reich und immens begütert. Desgleichen werde sich eine insolente und rebellantische Landschaft gelb ärgern, wenn der Prinz katholisch werde. Der Herr Fürstbischof sei selbstverständlich bereit, dem Prinzen auszuhelfen, auch wenn er die Mariage ausschlüge. Aber er halte diese Lösung für die beste und gönne Seiner Hoheit von Herzen das viele Geld und die schöne Frau und der Landschaft den schönen gelben Ärger. Und der Geheimrat trank in behaglichen kleinen Schlucken seinen Kaffee.
Karl Alexander, wie er allein war, stapfte auf und nieder, den Schädel noch benommen von dem einsamen Gelage der Nacht, atmete, fuhr sich durch das starke blonde Haar. Die Füchse! Schau an die Füchse! Katholisch wollten sie ihn haben. Der Schönborn, der Friedrich Karl, der gute, lustige, freundhafte Kumpan. So ein Fuchs!
Er lachte. Ein Spaß. Kotz Donner! Ein exzellenter Spaß. Die weitaus mehreren hohen Offiziere waren katholisch, die Katholiken waren die besseren Soldaten. Er für sein Teil dachte seit Venedig sehr frei in Religionssachen, die katholische Messe hatte ihm immer gefallen, für den Soldaten war das Katholische mit seinem Weihrauch und Heiligenbildern und Skapulieren eigentlich das Passendere. Und wenn er seinen Freunden in Würzburg und Wien damit einen Gefallen tat, so besser. Sich tat er jedenfalls keinen Tort damit. Eine schöne, reiche Prinzessin. Zu Ende das ewige blödsinnige Lamento und Abschinderei um den Taler. Und der Possen, der herrliche, exzellente Possen, den er der aufsässigen Landschaft spielte. Kreuztürken! Anschauen wird er sich die Regensburgerin auf alle Fälle.
Als Süß kam, den Tag darauf, rief er ihm schallend in guter Laune entgegen: »Bist trocken, Jud? Ist die Taufe gut bekommen?« – »Ja«, erwiderte Süß, »wenn Euer Hoheit IhrenSpaß daran gehabt haben.«
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