Jud Sueß
dem Bruder des Feldmarschalls verhandeln, mit dem sanften, protestantischen, ungefährlichen Prinzen Friedrich Heinrich. Aber ganz privatim und ganz unverbindlich und in aller, aller Heimlichkeit.In Regensburg, im Dom, bei der Trauung Karl Alexanders, Geläut, Weihrauch, eine glänzende Versammlung. Der Kaiser hatte einen Abgesandten geschickt, der päpstliche Nuntius Passionei war da mit einem Handschreiben des Heiligen Vaters, der Fürstbischof von Würzburg, die besten Repräsentanten der kaiserlichen Armee, unter ihnen Karl Alexanders vertrautester Freund, der General Franz Josef Remchingen, der Jesuitenzögling, rotes, wulstiges, gewalttätiges Gesicht, weinselig leuchtend unter der weißen Perücke.
Kein schöneres Brautpaar im Römischen Reich. Der Prinz ragend wie eine Zeder, prunkend mit dem Stab des Feldmarschalls, dem Orden des Goldenen Vlieses. Marie Auguste, den kleinen, ziervollen Kopf leuchtend im Glanz alten edlen Marmors über weißem Atlas und Brokat, um die Brust die Schärpe des Thurn-und-Taxisschen Hausordens, an den Puffärmeln in blassem Gold den Stern des Kaisers, im Ausschnitt das Kreuz des päpstlichen Ordens. Weich federnden Schrittes, unter der Brautkrone, einem Wunderwerk der Juwelierkunst, zu dem Süß die einzelnen Teile überall aus Europa zusammengestöbert, trug sie ihr junges, schwer deutbares Lächeln in den Dom.
Höchst unbefangen war sie und eher geneigt, in all der Feierlichkeit und Gravität überall einen Rest von Komik zu erspähen. Mit der lässigen Neugier ihrer fließenden Augen musterte sie die Gäste, und während der Bischof sie feierte, daß sie den großen Türkensieger, den Löwen in der Schlacht, dem christkatholischen Glauben rückgewonnen habe, dachte sie, daß sicher der Geheimrat Fichtel sich während des ganzen Banketts nur auf seinen Kaffee freuen werde. Und wie komisch es sei, daß jetzt der Jude feierlich im Dom stehe. Er sei übrigens ganz nett und amüsant und gar nicht werwolfartig, wie sie sich ursprünglich die Juden vorgestellt. Eigentlich seien seine Manschetten sogar mehr à la mode wie die ihres Mannes. Komisch, jetzt hatte sie also einen Mann. Und sicher wird jetzt der Jud mit seinen großen, fliegenden Augen aus dem weißen Gesicht ihren Nacken unter dem Brautschleier anstarren.
Und es flackerten feierliche Kerzen, es brauste die Orgel, es wölkte der Weihrauch, es leuchteten selige Knabenstimmen zum Himmel.
Andern Tages noch, während Trompeten aus Silber zum Bankett riefen, bestiegen die Neuvermählten die Jacht, die sie die Donau hinunterführen sollte, ein Geschenk des Fürsten. Sie reisten mit großem Hofstaat, Jägern, Dienern, Heiducken, Zofen. Am Kiel hockte, die Beine gekreuzt, Otman, der Schwarzbraune, starrte aus uralten, grundlosen Tieraugen die Donau hinunter.
Am Ufer standen der Fürst, der Würzburger Bischof, der Geheimrat Fichtel, weiter rückwärts zwischen ihnen und der Dienerschaft Josef Süß. Leichter Wind wehte, die Luft war hell und anregend, man war fröhlich gelaunt. Scherzworte flogen zum Ufer und zurück, während die Anker heraufgeholt wurden. Marie Auguste stand in einem hellen, heitern Reisekleid, beschattete die Augen, schaute auf den weichenden Hafen. Der Fürst und der Geheimrat hatten sich schon zurückgewandt, das Letzte, was sie sah, war das schlaue, zufriedene Antlitz des Jesuiten und, elegant und in einer Haltung hemmungsloser Ergebenheit, der Jude.
»Ich hätte nie geglaubt«, lächelte sie zu Karl Alexander, »daß jemand so elegant sein könnte und dabei so demütig wie dein guter Jud.« – »Der gute Jud!« lachte dröhnend der Prinz. »Städte und Dörfer könnte man sich kaufen um das, was der uns beschissen hat.« Und auf ihr erstauntes Gesicht erklärte er sachlich: »Das ist sein gutes Recht. Dafür ist er ein Jud. Aber er ist sehr verwendbar«, fügte er voll Anerkennung hinzu; »er schafft alles, Juwelen, Möbel, Dörfer, Menschen. Sogar Alchimie und schwarze Kunst.« Lachend erzählte er ihr die Geschichte von Rabbi Gabriel. »Da hat er mich schön beschissen, dein guter Jud. Eine Krone! Da sind noch zwei dazwischen. Der Erbprinz ist pudelgesund. Auf der Jagd war er, wie er mir seinen Gratulationsbrief schrieb. Und der Herzog, ob seine Herzogin noch so sauer ist, wenn’s der Teufel will, kann sie doch Kinder kriegen wie Kaninchen.« Und erlachte schallend und tätschelte ihre Hand, während das Schiff in leichtem Wind zwischen heiteren Ufern die blaugrünen Wellen hinunterglitt.
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