Jud Sueß
des Prinzen gewandt. Je nun, das Herzogtum und sein Parlament war auf Tatsachen gestellt, seiner Politik war kurze Frist gegeben; aber die katholische Kirche, und er seufzte neidvoll, war so etwas Altes, Stein-Ewiges, die Jesuiten hatten es gut, sie konnten säkulare Politik treiben, mit langen Fristen für späte Generationen. Im Elfer-Ausschuß schimpfte man zunächst ein breites, grobes, blödes auf den Prinzen. Endlich machte Johann Heinrich Sturm, der Präsident und Erste Sekretär, ein ernsthafter, bedachter, ruhevoller Mann, dem ziellosen, unsachlichen Geschimpfe ein Ende und fragte nach positiven Vorschlägen. Der grobe Bürgermeister von Brackenheim erklärte geradezu,eigentlich sei Weißensee an allem schuld, und es sei seine verdammte Pflichtigkeit, das Verrenkte wieder gerad zu machen.
Weißensee, lächelnd und beiläufig, fand, es sei nicht viel verrenkt. Nachdem der Prinz so auf eins, zwei habe konvertieren können, sei wohl für den rechten Glauben wenig an ihm verloren. Der Übertritt habe für die Katholischen nur Propagandawert, den Feldmarschall könne man beglückwünschen, daß er jetzt aus der Geldklemme sei und die Landschaft nicht weiter behelligen müsse. An andere praktische Folgen denke in der wohllöblichen Versammlung doch selber niemand.
Aber der grobe Brackenheimer beharrte: wenn auch das Herzogspaar, Gott sei Dank, noch rüstig sei und der Aussicht auf Nachfahrenschaft nicht beraubt, wenn auch der Erbprinz da sei und gesund, nachdem Rom Politik auf so weite Sicht mache, müsse man rechtzeitig Gegenminen legen.
Warum nicht? meinte leichthin Weißensee. Man könne sich ja, durchaus unverbindlich und heimlich, ins Benehmen setzen mit des Prinzen Bruder Friedrich Heinrich. Für alle Fälle nur, akademisch mehr. Von diesem frommen und sanften Herrn drohe weder evangelischer noch ständischer Freiheit die geringste Gefahr.
Beklommenheit, Schweigen, Bedenken auf den Elf. Roch das nicht ein bißchen nach Hochverrat? Akademisch nur, gewiß, für alle Fälle nur, unverbindlich nur. Immerhin.
Der Vorsitzer und Erste Sekretär, Sturm, der gerade, ehrliche Mann, eng verhaftet seinem Vaterland, haßte so jesuitische Mittel. Er wußte schmerzhaft, es war ohne sie nicht auszukommen. Aber nur in der äußersten Not. Nur dann, nur dann.
Der Landschaftskonsulent, Hofgerichtsassessor Veit Ludwig Neuffer, wollte von solchen Plänen nichts wissen. Der noch junge Mann, knochiges, finsteres Gesicht, schwarzes, filziges Haar tief in die Stirn gewachsen, war ursprünglich ein wilder Fürstenhasser gewesen und entbrannter Verehrer aller Volksfreiheit. Seinem Vetter, der dem Prinzen Karl Alexanderden Kammerdiener machte, hatte er mit Schimpf und Hohn die Freundschaft aufgesagt, trotzdem sie zusammen aufgewachsen waren in Haus und Spiel und Schule. Jetzt aber, er hatte zuviel gesehen, war er knurrig resigniert, das Böse war notwendig, er sehnte sich fast danach, mit dem grimmigen, zerstörerischen Wunsch nach Bestätigung, nach immer mehr Befestigung seines bitteren Wissens. Ja, anläßlich des Wildbader Aufenthalts hatte er seinen Vetter, den Kammerdiener, wieder gesehen, wenn er ehrlich sein wollte, hatte er ihn geradezu aufgesucht, und er hatte sich auf eine merkwürdige, höhnische, bissige Art mit ihm ausgesöhnt. Hatte der doch recht. Das war nun offenbar Naturgesetz, das mußte so sein: einige wenige standen droben, und die andern waren alle Hundsfötter, Stiefellecker. Ein Katholik auf dem württembergischen Thron? Gut so, das war eben Fürstenrecht, göttliche Schickung, und das Volk, Kotz Donner, hatte sich zu fügen.
Der geschmeidige Weißensee, immer sacht und beiläufig, explizierte weiter. Belgrad sei weit, es handle sich ja nur um Theoretisches, um Sicherungen für Eventualia, Problematisches. Selbstverständlich dürfe Geschriebenes nicht aus der Hand gegeben werden. Und das Corpus Evangelicorum habe man auf seiner Seite.
Die Schädel stierten, schwer, unbehaglich. Auch schon die entfernteste Möglichkeit eines katholischen Herzogs schien unfaßbar, unerträglich, machte krank. Ein katholischer Fürst war nicht anders denkbar denn als Despot, als Tyrann. Und dieser gar mit seinen Beziehungen zum Wiener Hof, dem Erzfeind aller Religionsfreiheit, jeder parlamentarischen Selbständigkeit. Die schönen Freiheiten! Sie Elf, die da saßen, rieten, tagten, sie waren diese Freiheit. Sie waren bedroht, sie selber, sie persönlich durch den katholischen Prinzen.
Man beschloß, Weißensee solle mit
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