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Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Leben getrachtet, sie hatte dem Erbprinzen, sie hatte dem Herzog den Tod angehext. Sie wird, die Herzogin, sich jetzt nicht im ersten Sturm ausgeben. Aber sie wird nicht ablassen von ihr; sie wird nicht schreien, aber ihre grämliche Stimme wird nicht schweigen, bis die andere bloß steht und in Lumpen und all ihrer Schmach. So saß sie an dem stolzen Katafalk, grau und kümmerlich, und drehte den armen Rest ihres Lebens in der Hand, und die schweren Blüten aus den Treibhäusern dufteten, und die großen Kerzen schwelten, und die Leutnants standen mit bloßem Degen und hielten Totenwacht.
    Die Bürger, wie die Herolde den Tod des Herzogs verkündeten, nahmen die Hüte ab, waren ergriffen. Jetzt, wo der Herzog tot war, sahen sie nur mehr seine Stattlichkeit, Leutseligkeit, soldatische Tugend, Pracht, Eleganz, und sie waren geneigt, alles Elend seiner Regierung allein und ausschließlich der Gräfin und ihrer Hexerei zuzuschreiben. Nicht nur das Geld, das sie dem Land erpreßt hatte, wog man ihrer Schuld zu, man fluchte auch alle Verdammnis und Pestilenz auf sie herab, weil durch sie das alte festbegründete Ansehen des Fürstenhauses in Deutschland erschüttert und manche vorteilhafte Gelegenheit, neue Rechte und Vorzüge zu erlangen, verloren worden sei; denn man habe, um den kaiserlichen Hof nicht zu erzürnen, überall gar vorsichtig und behutsam agieren müssen, auch habe gewöhnlich gerade zur rechten Zeit das Geld mankiert. Und immer tiefer in den Kot sank das Bild der Gräfin, und immer leuchtender stieg der Herzog, und die Weiber wischten sich die Augen: und so prächtig war er, und so freundselig sprach er mit jedem, so ein guter Herr, so ein schöner Herr!
    Und es liefen, fuhren, ritten die Kuriere. Einer nach Frankfurt, da wackelte Isaak Landauer mit dem Kopf, rieb sich die fröstelnden Hände und sagte: »Ei, da wird der Reb Josef Süßes wichtig haben und große Geschäfte.« Einer nach Berlin, da setzte der Gräfin das Herz aus, und sie fiel ohnmächtig auf den Estrich. Einer nach Würzburg, da lächelte der dicke, lustige Fürstbischof und rief seinen Geheimrat Fichtel zu sich, und einer nach Belgrad, da atmete der Prinz Karl Alexander, jetzt Herzog, Herzog jetzt!, hoch auf, und er sah sich den Krieg hineintragen tief nach Frankreich, und er sah seine Hände drehen an den Speichen der Welt. Über dem allem aber und gleichzeitig sah er trübgraue Augen, hörte er eine mürrisch knarrende Stimme: »Ich sehe ein Erstes und ein Zweites. Das Erste sag ich Euch nicht.« Und er betrachtete nachdenklich seine Hand, eine merkwürdige Hand, ihr Inneres war fleischig, fett, kurz, während ihr Rücken schmal, lang, behaart, knochig erschien.
    Vor dem Spiegel aber stand Marie Auguste, da stand sie oft, und war nackt und lächelte. Mit den langen Augen unter der klaren, leichten Stirn beschaute sie ihren Leib, der weich war und schlank und von der Farbe alten, edeln Marmors. Sie dehnte sich wellig, der kleine, eidechsenhafte Kopf mit den sehr roten Lippen lächelte tiefer. Es war schön, jetzt nach Stuttgart zu fahren, durch huldigendes Volk, in goldenem Wagen, als Herzogin. Es war auch hier schön gewesen, in Belgrad, thronend über den wilden, begehrlichen, verehrenden barbarischen Menschen. Aber es war sehr willkommen, jetzt am Kaiserhof und an den andern deutschen Höfen Verehrung aufwölken zu sehen wie Weihrauch. Sie wird die Herzogskrone ohne Perücke tragen, es war gegen die Mode, aber sie wird es doch tun, und die Krone wird klein und hoch und sehr stolz auf dem strahlend schwarzen Haar sitzen. Sie hob, die nackte Frau, mit halb hieratischer, halb obszöner Gebärde beide Arme eckig zum Kopf, daß das schwarze Gekräusel in den Achseln sichtbar war, und feucht atmend, lächelnd, schritt sie mit biegsamen Schritten, tanzend fast, durch das Zimmer. Viele Herren werden an ihrem Hofe sein, deutsche, italienische, französische, nicht halbwilde wie hier; man wird ja nah an Versailles sein. Und viele, die halb frech, halb bewundernddie Prinzessin beschaut hatten, wie werden sie jetzt die Herzogin beschauen. Auch der Leibjude wird wieder am Rande ihres Kreises stehen, der hemmungslos galante, sie zuckte amüsiert die Lippen. Ah, es war gut, schön zu sein, es war gut, reich zu sein, es war gut, Herzogin zu sein. Wie herrlich, daß es Männer gab und schöne Kleider und Kronen und Lichter und Feste. Es war eine schöne Welt, es war schön zu leben.
    Auf Schloß Winnenthal, vier Stunden nur vor Stuttgart, fiel Karl

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