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Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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hockte reglos der Schwarzbraune und starrte über den Kiel nach Osten. In den Augen der Prinzessin waren die letzten Bilder der Heimat, das schlau fröhliche des Jesuiten und das servil elegante des Juden.
    Noch bevor sie an der serbischen Grenze waren, erreichte sie eine Stafette des Süß. »Er hat es wichtig, dein Jud«, lächelte Marie Auguste. »Was hat er denn so eilig zu verkaufen?«
    Karl Alexander riß die Depesche auf, las. Der Erbprinz war gestorben, unvermutet, während der Stuttgarter Hof einen Ball hielt.
    Er reichte das Papier der Prinzessin. Das Blut schoß ihm zu Kopf, er hörte eine knarrende, mißlaunige Stimme, sah durch sein tanzendes Blut über trübgrauen, steintraurigen Augen drei kurze, tiefe Furchen, drohend, unheimlich wie ein fremder, verschlossener Buchstab.

Zweites Buch
Das Volk

Zweiundsiebzig Städte zählte das Herzogtum Württemberg und vierhundert Dörfer. Getreide wuchs, Obst, Wein. Ein schöner, edler Garten im Römischen Reich hieß das Herzogtum. Bürger und Bauern waren heiter, gesellig, willig, geweckt. Geduldig nahmen sie das Regiment ihrer Fürsten hin. Hatten sie einen guten Fürsten, so frohlockten sie; war er schlecht, so war dies Fügung des Himmels, Züchtigung des Herrgotts. An zehn Goldgulden zinste jeder Württemberger, Mann, Weib, Kind, den herzoglichen Renteien.
    War der Herzog gut, war der Herzog schlecht, Sonne kam und Regen kam, Weizen wuchs, Wein wuchs, gesegnet lag das Land.
    Aber Fäden spannen sich von allen Seiten, Hände langten, Augen gierten, von allen Seiten wob sich Gespinst über das Land.
    In Paris saß der fünfzehnte Ludwig und seine Minister. Ein Stück Württemberg, die Grafschaft Mömpelgard, war von seinem Gebiet eingezirkelt, er wartete nur darauf, sie zu verschlucken. In Berlin saß die Gräfin, zettelte mit der Reichsritterschaft, suchte hier und dort noch Letztes zu erquetschen, in Frankfurt und Heidelberg lauerten Isaak Landauer und Josef Süß, dem Herzogtum ihre Schrauben anzusetzen, der Staatssekretär des Papstes wob Fäden von Rom nach Würzburg zum Fürstbischof, das Land der Mitra zu unterwerfen, in Wien die kaiserlichen Räte ertiftelten von dem Erbprinzen, dem Katholiken, Feldmarschall des Kaisers, neue Verträge, Bindungen von Stuttgart nach Wien, in Regensburg der alte Fürst Thurn und Taxis blinzelte herüber, und in Belgrad der Feldmarschall Karl Alexanderund Remchingen, sein Freund und General, wogen große Pläne.
    Sie alle saßen, warteten im Kreis, beschielten sich mißtrauisch, warfen ihre großen, stummen Schatten über das Land.
    Und Sonne kam, Regen kam. Weizen wuchs, Obst, Wein. Das Land lag gesegnet.
    In den ersten Novembertagen starb so jäh, wie er zumeist beschlossen und gewirkt und gelebt hatte, Eberhard Ludwig, von Gottes Gnaden Herzog zu Württemberg und Teck, der Römischen Kaiserlichen Majestät, des Heiligen Römischen Reiches und des löblichen schwäbischen Kreises Generalfeldmarschall, auch Oberster über drei Regimenter zu Roß und zu Fuß.
    Auf mächtigem Katafalk lag er nun, das Gesicht bläulichgelb vom Stickfluß, in großer Uniform mit vielen Orden, daraus der dänische Elefantenorden und der preußische Schwarze Adler hervorprunkten, viele Lichter um ihn, zu Häupten und zu Füßen auf Totenwacht zwei Leutnants. Kümmerlich hockte in dem großen, schweigenden Raum verstaubt und sauer Johanna Elisabetha, die Herzogin. Ihr Triumph hatte so kurz gedauert; und daß der Mann, der mit so zähem Warten, so blutigem Schweiß erkämpfte, jetzt nach den wenigen Monaten blau und tot und erstickt dalag, das hatte die andere ihm angewünscht, die Mecklenburgerin, die Hexerin, die Person. Aber sie saß da, sie allein, nicht die andere. Wer künftig in Württemberg herrschte, war ihr gleich. Der Katholik wahrscheinlich, mit seiner hochmütigen, leichtfertig aufgeputzten Frau. Aber sie war so ausgehöhlt, das interessierte sie nicht. Sie hatte nur mehr ein Geschäft auf der Welt: den zähen Brei ihrer Rache garzukochen. Noch saßen die Verwandten der Person an den Futternäpfen des Herzogtums, noch glänzte die Person in Reichtum und großem Glanz, noch zog sie durch hundert kleine Kanäle, durch die Verwalter ihrer Liegenschaften, durch ihre verfluchten Juden den Saft des Landesan sich. Jetzt, nun Eberhard Ludwig tot war, hatte sie keinen Schutz mehr, galt keine Rücksicht mehr. Sie, die Herzogin, wird sie von neuem peinlich anklagen, bei dem neuen Herzog, bei Kaiser und Reich. Die Person hatte ihr nach dem

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