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Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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sich, daß sein Fürst so eine anständige, schöne und saubere Mätresse hatte, die noch dazu im Geruch der Heiligkeit stand und eine Einheimische war. Daß Karl Alexander zu seiner schönen Herzogin so eine schöne und anständige und schwäbische Mätresse hatte, versöhnte das Volk zwar nichtmit seinem Juden, aber es machte manches wieder gut, was seiner Popularität abträglich war. Die Bürger zogen die Mützen vor Magdalen Sibylle, und viele schrien »Hoch!«.
    Auch dem Weißensee kam diese Stimmung sehr zustatten. Sein Ansehen stieg, sogar im Parlament. Und wenn man unter den Elf des engeren Ausschusses auch polterte, so wären doch bis auf zwei, drei alle gern an seiner Stelle gewesen und beneideten ihn herzlich um sein Glück. Neuffer gar sah zu ihm als dem gewissermaßen stellvertretenden Schwiegervater des Herzogs mit düsterer Ehrerbietung auf.
    Langsam kehrte Magdalen Sibylle, nach Wochen, das Gefühl zurück. Wie wohl ein Erfrorener, wieder zum Leben gebracht, schmerzhaft fühlt, wie sein Blut neu zu kreisen anfängt, so spürte sie schmerzhaft Wallungen aufsteigen, fluten, immer wilder alle Poren anfüllen, Haß und Begier. Immer noch blieb Karl Alexander das gleichgültige, mit leichtem Widerwillen fremd angestaunte Tier, das sie litt: aber ihr Denken und ihre Triebe alle zielten auf einen andern, kreisten um den andern. Der Herzog, bah!, was wußte der!, was verstand der! Er war ein Unglück für sie. Man haßte ihn so wenig wie die Apfelschale auf der Straße, über die man ausgeglitten war. Aber der andere, der wußte, der war verantwortlich, der wußte besser als jeder andere, sah klarer, wog, zählte genau, war hassenswert, war in Wahrheit der Teufel und alles Böse. Es war ein rechtes Gefühl und große, gnadenhafte Warnung gewesen, die sie damals im Wald von Hirsau so grauenhaft bei seinem Anblick aufgeschüttert hatte. Er wußte sehr gut, der freche, glatte, gescheite, ruchlose, eiskalte Teufel, der er war, wußte so gut wie sie, daß sie um ein ehrliches, warmes Wort erlöst zu ihm hingeglitten wäre, daß alle ihre kindischen, geheimnisfrohen, nebelhaften Gott- und Teufel-Träume sich in ein heißes, menschliches Gefühl gelöst hätten, wenn er nur die Kraft gehabt hätte, zu seinem Gefühl zu stehen, seine wahrhafte Neigung nicht preiszugeben für ein Lächeln und einen Brocken Geld oder Titel von dem Herzog. Denn er liebte sie. So schaute einer nicht, so sprach und neigte sicheiner nicht, wenn sein Gefühl nicht echt war. Wenn einer aus einem Trieb heraus Soldaten preßte, seine Untertanen verelendete, Frauen vergewaltigte, das war das Tierhafte, da war keine Verantwortung. Aber jener andere, der sein Gefühl verschacherte, pfui! pfui!, das war das wahrhaft Jüdische und Teuflische.
    Sie wußte nicht, wie versprenkelt und wie eingesprenkelt in tausend anderes das Gefühl war, mit dem Süß an sie dachte. Vielleicht hatte er wirklich für den Bruchteil eines Augenblicks ehrlich und ganz und nur sie gespürt; doch er war viel zu zerspellt und in tausend Interessen zerteilt, war viel zu sehr Mann des Augenblicks, um solch Gefühl, selbst wenn er es gewollt hätte, halten zu können. Und die Grundmelodie seines Seins, seine Bindung mit dem Herzog, für eine Frau aufs Spiel zu setzen, auch nur der Gedanke daran wäre ihm absurd vorgekommen.
    Einmal sah sie ihn. Das Herz stieg ihr hoch: was wird er tun? Wenn er es wagen sollte, sie anzusprechen! Aber er sprach nicht. Sondern grüßte nur tief und mit stillem, ernstem, ehrerbietigem Blick. Und sie haßte ihn doppelt.
    Die Herzogin hatte sich vom ersten Abend an für Magdalen Sibylle interessiert. Das große Mädchen mit dem männlich kühnen Gesicht gefiel ihr, sie suchte an sie heranzukommen. Sie merkte gut, daß jener der Herzog sehr gleichgültig war, daß er sie nicht verstand, sie ihn nur kalt und leidend gewähren ließ. Das begriff nun sie wieder nicht, so betastete sie doppelt neugierig das Mädchen mit dem sonderbaren Widerspiel der blauen Augen und des dunklen Haars. Magdalen Sibylle spürte das Wohlwollen, das von Marie Auguste zu ihr herüberströmte, und ließ es sich lässig gefallen. Die Herzogin, wie getrieben, schmiegte und schmeichelte sich immer enger an sie heran, sie gab sich wie eine jüngere Schwester, legte den Arm vertraulich um die Taille der andern, zeigte, sie, die sonst an allen Frauen gern ihre selbstsichere, spitze Zunge übte, allen offen ihre Freundschaft für die schöne Herzdame ihres Mannes.
    Sie machte sich

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