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Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Augen standen groß und wild in dem sehr weißen Gesicht, eiferte: »Satanas! Er! Er Satanas! Weiß und rot ist er, hervorragend aus Myriaden. Sein Haupt feinstes Gold, seine Locken ringeln sich herab, rabenschwarz. Seine Wangen ein würziges Beet, getürmte Wohlgerüche, seine Lippen fließende Myrrhe. Goldene Ringe seine Hände, besetzt mit Chrysolith, sein Leib von Elfenbein ein Schaft, eingehüllt von Saphiren.« Und heiligste Hingerissenheit und Überzeugtheit lächelte von ihren Lippen, strahlte von der klaren Stirn, während sie so sprach.
    Jaakob Polykarp Schober, wie er die Bibelverse hörte, fühlte sich sogleich wohler und gefaßter. Jetzt konnte er sich auch ihre Verstörtheit zusammenreimen. Aha! Dies war eine von denen, die der Jude mit seiner Zauberei und Hexenkunst verführt hatte. Es gab ja so viele Liebestränke und arge schwarze Künste, die auch den reinsten Sinn verwirrten und ihn dem Teufel zutrieben. Gegen die Mandragorawurzel hatte kein noch so weißes Herz eine Wehr, da hätte er für sich selber nicht einstehen können. Der Jude war arg aus auf Weiber; wenn auch an den Historien über Magdalen Sibylle nichts Wahres sein mochte, daß der Jude sie mit Zauberkünsten zu verlocken suchte, so viel war gewiß. Und diese also, die Prinzessin aus dem Himmlischen Jerusalem, war sicherlich ein Opfer von ihm. Wie rein und lauter sie war, erhellte daraus, daß sie jetzt noch, in ihrer Verstrickung und tiefem Fall, die Bibel zitierte. Die heiligen Worte flossen süß undlieblich von ihren Lippen; bestimmt war Beelzebub ihr in heiliger, englischer Vermummung genaht, als er sie verlockte.
    Den pausbäckigen Magister hob es wie mit Himmelsflügeln, während er diese Erwägungen anstellte. Sein Leben war mit dem Weggang Magdalen Sibyllens doch eigentlich recht kahl und dürftig geworden. Jetzt schickte ihm die Gnade des Herrn die beglückende Aufgabe, diese zarte und feine Prinzessin aus den Zähnen des leckerischen und gefräßigen Satanas zu retten. Er begann weitschweifig und behutsam von der Freude, die im Himmel über reuige Sünder sei, kam dann auf die büßende Magdalena und endete schließlich bei den feinen und schlauen Schlingen, vor denen auch der Reinste und Zarteste nicht sicher sei. Denn der Feind, der Satanas und Buhler –
    Aber da warf ihn die Entrüstung des Mädchens ein zweites Mal und noch viel schlimmer zurück. »Mein Vater ist kein Satan und Buhler«, glühte sie, während die Dickliche sie verzweifelt und dringlich zurückzuhalten suchte. »Das ist schwarze, niedrige, scheusälige Verleumdung.«
    Das freundliche, pausbäckige Gesicht des Magisters wurde ganz gelb und fahl. Der Jude ihr Vater! Der moosichte Boden unter ihm hob und senkte sich, die Bäume fielen um, über ihn, stachen ihn, deckten ihn zu. Der Jude ihr Vater! Seine ganze Welt, Gott, Teufel, Offenbarung stand kopf.
    Wie ihm langsam Überlegung und Verstand zurückkehrte, sagte er sich, wenn der Jude eine solche Tochter habe, sei doch wohl vieles Fabel und tückisches Geschwätz, was von ihm in Schwang und Gerede sei. Die Welt ist übel, die Zungen sind vergiftete Schwerter, manch einer wurde für einen Herodes und Barrabas hingestellt und war hernach nicht viel anders als unsereins. Immerhin, die Tatsache blieb, daß man ihm, der fromm und demütig war, die Bibliothekarstelle verweigert hatte, bloß weil er ohne Geld war. Und diese Institution war bestimmt eine Einführung des Juden. Und wenn auch die Jungfrau hier rein und unschuldig einherging, sehr viele andere Werke des Juden waren heillos und verrucht und ebensomit Augen zu schauen wie dieses freilich sehr weiße und englische Bild.
    Das Kind hatte die Verwirrung des Magisters sehr wohl bemerkt. »Ah«, rief sie, »jetzt erschreckt Ihr, weil Ihr hört, daß er mein Vater ist. Fürchtet Euch nicht! Er ist zu hoch, als daß er auch nur die Ferse rührt gegen seine armseligen Schwärzer und Verleumder.«
    Aber das ließ sich nun wieder Jaakob Polykarp Schober nicht gefallen. Er sei demütig und sehr gering, sagte er. Aber Furcht vor Menschen kenne er nicht. Und wenn der Herr Jud und Vater der Demoiselle auch ein wütiger Nebukadnezar sei und ihn könne in einen feurigen Ofen werfen lassen, Gott werde er doch immer die Ehre geben.
    Unter solchen Gesprächen waren sie an den Holzzaun gekommen, und die Dickliche sagte, er müsse jetzt gehen. Sie nahm ihn beiseit, und mit ungefügen, holperigen Worten in fremdartigem Akzent beschwor sie ihn, der Kleinen nicht zu glauben.

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