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Judassohn

Titel: Judassohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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war; darauf wieder lange nichts. Schließlich folgten die Tiere und Menschen, ganz gleich welchen Standes.
    »Man erzählte in Paris vom Krieg gegen die Muselmanen.«
    »Wir stehen auf Boden, der einst Teil des Osmanischen Reiches war. Derzeit sollte er den Habsburgern gehören. Denke ich. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann die Türken ihn wieder in Besitz nehmen werden. Wie so oft.« Marek wirkte nicht, als interessierten ihn die weltlichen Herrscher. »Die Bevölkerung der umliegenden Dörfer und Städte hat verstanden, dass dieses Haus und das Umland tödlich sind, wenn sie mich verärgern. Das erzählen sie jedem, ganz gleich, ob er zu Gott oder Allah betet.« Er legte den Mantel und die Handschuhe auf die Kommode. »Glaube und Götter helfen nicht gegen mich.«
    Dominic war sprachlos.
    Er leidet an übelster Hybris! Anders lässt es sich nicht sagen. Was hat ihn so werden lassen? Woher rührt sein übermäßiges Selbstvertrauen?
    Eine Tür öffnete sich.
    Drei junge Männer in dunkelgelben Livreen kamen in die kleine Halle und nahmen Mareks Garderobe, danach Dominics Mantel entgegen. Sie sprachen kein einziges Wort, Klatsch- und Schnipsgeräusche dienten ihnen zur Verständigung. Bei genauerem Hinschauen fiel Dominic auf, dass sie blind waren. Graue, stumpfe Augen glotzten ihn an, ohne ihn zu sehen.
    »Stumm
und
blind«, erklärte Marek. »Sie kennen sich fast besser in dem Haus aus als ich. Eine Bekannte von mir hatte diese wunderbare Idee, sich derartig präparierte Dienerschaft zuzulegen.« Er ging die Holztreppe hinauf. »Komm mit. Ich zeige dir, was dir noch alles bevorsteht.«
    Er folgte seinem Oheim in den ersten Stock, der eine einzige Bibliothek darstellte. Alte und neue Bücher, auf deren Rücken die verschiedensten Sprachen aufgedruckt oder eingeprägt waren, reihten sich aneinander.
    Das habe ich nicht vermutet. Diese Sammlung kann es mit jeder Universität aufnehmen.
    Der Geruch des Papiers mischte sich mit dem des Holzes und des Leders. Der Duft der Bienenwachskerzen gab dem Raum eine süßliche Note.
    »Latein«, klang Mareks Stimme wie ein Peitschenknall, »wirst du lernen müssen. Altgriechisch, Spanisch, Sanskrit und viele andere Sprachen, damit dir das Wissen zugänglich wird, das hierin verborgen ist.« Er winkte Dominic zu sich und marschierte zu einer weiteren Treppe.
    »Was soll ich damit?«
    »Aus deiner Dummheit entfliehen. Aus deiner selbstverschuldeten Unmündigkeit, wie die Aufklärer sagen würden.« Marek lachte leise. »Aufklärer! Sie werden ihrer Unmündigkeit niemals entfliehen.«
    Sie gelangten durch eine Stahltür in den zweiten Stock, wo Dominic ein durchdringender Geruch die Nase zu verätzen schien. »Was ist das?« Er nieste, würgte und hielt sich schnell ein Taschentuch vor Mund und Nase. »Ist hier der Schlund der Hölle?«
    »Nein. Das sind die Kammern des Wissens!« Marek nahm ein Hölzchen aus der Tasche, rieb mit der Spitze über den Balken. Knisternd entzündete es sich, das Flämmchen leuchtete rötlich. »Ich war es leid, mir jedes Mal einen glimmenden Span zu suchen.« Er entfachte den Docht einer Lampe damit. Die Flamme sprang wie von Geisterhand weiter durch den Raum und entfachte zehn zusätzliche Leuchten. »Man erspart sich unnütze Lauferei.«
    Aus der Dunkelheit erhob sich ein komplettes Stockwerk, das zu einem alchimistischen Labor umgewandelt worden war. Rauchabzüge hingen von der Decke, überall standen kleine Brenner auf den eisenbeschlagenen Tischen. Glaskabinen waren errichtet worden, in denen sich besondere Aufbauten befanden. An den Wänden entlang reihten sich die Schränke, und darin wiederum lagerten allerlei Ingredienzen.
    Wie hat er das gemacht?
    »Ich bin beeindruckt.« Dominic drehte sich. »Wofür das alles? Blei zu Gold? Oder neues Porzellan? Rauschmittel?«
    »Da haben wir ein weiteres Manko: Du warst zu lange Räuber, um in anderen Bahnen zu denken.« Marek ging bis zum größten Schrank und öffnete ihn. Darin befanden sich vier Dutzend eiserne Kläppchen, die an Urnenstelen erinnerten, mit Vorhängeschlössern. »Hier lagern die giftigsten, gefährlichsten und wertvollsten Stoffe, die wir kennen. Laudanum, Brechnüsse, Quecksilber und weitere, ausschließlich todbringende Substanzen.« Er strich über die Schlösser und brachte sie zum Schwingen; es klackerte wie in einem Uhrwerk. »Und doch sollen sie mich und dich zu einem Ziel führen.« Er wandte sich zu ihm um. »Unsterblichkeit, Eleve. Denn sie ist uns Judaskindern wie allen

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