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Judassohn

Titel: Judassohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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ihre Anmut verloren, die sich als weißliches Leuchten von ihr gelöst hatte und von ihm in einem Amulett eingefangen worden war.
    Dass man so etwas kann. Er muss mächtig sein.
    Sandrine war auf der Stelle fasziniert gewesen. So etwas wollte sie erlernen! Diese dunkle Macht passte hervorragend zu den Flüchen, die sie über Personen werfen konnte.
    Sie waren Octavius in sein Zuhause gefolgt, er hatte sie gestellt, und sie hatten ein Bündnis vereinbart, um sich gegenseitig in den jeweiligen Künsten zu unterweisen. Der Murony mit dem stechenden Blick nahm sie als Gäste auf, auch wenn es Anjanka merkwürdigerweise nicht recht war. Sie traute ihm nicht.
    Wo bleibt sie denn?
    Sandrines Stimmung schlug um, sie wurde ungehalten.
    Schritte näherten sich, es klopfte.
    Anjanka würde nicht anklopfen.
    Schnell warf sie sich unter das Laken, da wurde der Eingang bereits geöffnet.
    Octavius trat ein, gekleidet wie ein osmanischer Fürst und mit unglaublich viel Schmuck behangen, als wolle er sie damit beeindrucken. »Verzeih mir die Störung, Sandrine«, sagte er mit seiner hohen, brechenden Altweiberstimme. Die grünen Augen waren auf sie gerichtet und schienen die Wäsche durchdringen zu können. Ihr war es unangenehm. »Die Baronin möchte mit dir sprechen.«
    Das Anliegen überraschte Sandrine. Die Adlige hatte sie noch nie sehen wollen. »Ja? Weswegen?« Sie raffte die Decke um sich herum, weil sie keine entblößte Haut zeigen wollte.
    Hoffentlich denkt er nicht, ich wollte ihn verführen!
    Er sah nach unten, vor das Bett, wo ihr Kleid lag, das sie rasch abgestreift hatte. »Ich erzählte ihr, dass du nicht weißt, welche Art von Upir du bist. Sie möchte dich genauer betrachten. Anjanka sagte mir, dass du im Zimmer bist«, erklärte er. »Gut, dass ich dich antreffe. Du bist ansonsten viel unterwegs.«
    Gut. Somit steht außer Frage, auf wen ich nackt gewartet habe.
    »
Ich erkunde die fremde Gegend und erforsche meine Kräfte, Octavius.« Sie nickte. »Ich komme sofort.« Sandrine hatte genau gehört, dass er neugierig war, wo sie die Nächte verbrachte. Bei aller Dankbarkeit würde sie ihm gegenüber keinerlei Rechenschaft über ihre Unternehmungen ablegen.
    Octavius hob das Kleid vom Boden und hielt es in der Rechten, mit der linken Hand zeigte er auf die Truhe in der Ecke. »Darin liegt etwas für dich. Zieh es bitte an, wenn du der Baronin unter die Augen trittst. Sie ist eine Frau von großem Einfluss und verdient es, dass man sie durch eine gepflegte Erscheinung ehrt.« Er lächelte und roch am abgelegten Kleid. »Mir wird es auch gefallen.« Er verließ das Zimmer.
    Ich sollte Anjankas Misstrauen ihm gegenüber vielleicht besser teilen. Ob ich mein altes Kleid wiederbekomme? Mal sehen, was er mir dagelassen hat.
    Sandrine erhob sich, ging nackt zur Truhe und öffnete sie.
    Darin lag ein Traum von einem Kleid, das bestimmt einer türkischen Prinzessin gehört hatte. Es war weiß, mit grünen und gelben Fäden durchwirkt; der dazu passende Schal oder Schleier war mit Goldplättchen besetzt, die leise klirrten, als Sandrine ihn anhob.
    Wie zieht man das an?
    Sie schlüpfte in das schnallen- und riemchenreiche Gewand, zog es wieder aus, versuchte es ein weiteres Mal. Vier Anläufe benötigte sie, bis sie der Meinung war, alles richtig gemacht zu haben. Sie legte den Schleier an. Auf dem Boden der Truhe wartete passender Schmuck: sieben Ringe, zwei Hals- und Hüftketten, Ohrringe, zwei Broschen, alles in Gold. Das Gewand saß wie für sie gearbeitet.
    Sandrine besah das Ergebnis im Spiegel und erkannte sich fast nicht mehr wieder.
    Erhaben. Ich bin eine Herrscherin! So könnte ich ewig verweilen.
    Sie fühlte sich hochgeboren, unwiderstehlich und berauscht. Die Wirkung des Kleides war fast schon magisch zu nennen. Sie traute Octavius zu, einen Zauber daraufgeworfen zu haben, so wie er die Schönheit seiner Opfer in Amulette bannen konnte.
    Ein grausamer Zauber. Und doch will ich ihn …
    »Bist du da?«, hörte sie Anjanka rufen und kehrte mit den Gedanken in die Gegenwart zurück. Gleich darauf wurde die Tür stürmisch geöffnet. Anjanka blieb wie angewurzelt stehen. »Mein Herz! Du siehst …« Sie musterte Sandrine, die sich lachend drehte und das Kleid schwingen ließ. »Phantastisch! Heute Nacht wärst
du
der Traum aller Männer und nicht ich.«
    »Die Baronin möchte mich sehen, sagte Octavius«, erklärteSandrine das ungewöhnliche Aussehen. »Er meinte, ich solle mich für sie herausputzen.«
    »Muss ich

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