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Judassohn

Titel: Judassohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Hunger zu stillen.
    Sie verwarf den Gedanken wieder. Auch ihre Spinnenform war ihr nicht geheuer. Im Sumpf krabbelte zu viel umher, was an einem Spinnenmahl Gefallen finden könnte. Anjanka ärgerte sich über sich selbst.
    Ich bin einfach zu furchtsam.
    Sie stapfte voran, der Untergrund gab schlürfende Geräusche von sich, Wasser plätscherte bei jedem ihrer Schritte. Es war ihr nicht möglich, sich lautlos zu bewegen.
    Anjanka lief und lief und lief …
    Das bringt nichts.
    Sie blieb stehen, lauschte und hörte nichts als Insekten, das Quaken der ersten Frösche und das stete Rascheln des Schilfs. Es war aussichtslos, aufs Geratewohl durch die Gegend zu marschieren und zu hoffen, wie durch Zufall auf einen der beiden zu stoßen.
    Ich warte in unserem Versteck auf sie.
    Die Tenjac schlug schweren Herzens den Weg zurück nach Guérande ein, wo Marat sich ein Quartier gesucht hatte. Spätestens da würde man sich wieder treffen.
    Anjanka lief über die wippenden Graspolster, durchs Wasser und durch den Schlick, bahnte sich einen Weg durch den Schilfwald. Zu ihrer himmelhohen Erleichterung tat sich vor ihr eine Lücke im Schilf auf. Sie entdeckte einen Kanal, gegenüber befand sich ein kleiner, wacklig wirkender Anlegesteg, von dem ein Weg weiterführte. Anjanka atmete auf.
    Gleich wird es leichter werden.
    Die wenigen Schritte auf die andere Seite schwamm sie durch das braune Wasser und erklomm das flache Ufer.
    Ich hoffe, dass ich das niemals mehr tun muss.
    Sie blickte an sich herab. Das Wasser lief ihr aus den Kleidern. Auch wenn sie sich als Untote keinerlei Fieber oder Erkältungskrankheiten zuziehen konnte, war es einfach schrecklich unangenehm, mit nasser Kleidung umherzulaufen.
    Sie sah auf den zugewachsenen Weg, der vom Steg hinaufführte.
    Ein Dorf. In irgendeiner Hütte werden sie bestimmt ein Kleid haben, das ich mir nehmen kann.
    Anjanka ging den Pfad entlang. Sie gelangte in die Reste eines kleinen Weilers, der offenkundig einer Feuersbrunst zum Opfer gefallen war.
    Verflucht!
    Sie wrang die langen Haare aus und ersparte es sich, in denResten zu wühlen, um sich nicht noch schmutziger zu machen. Sie warf die nassen Strähnen nach hinten und durchquerte die aufgegebene Siedlung, um nach Guérande zu gelangen, ehe sich die Sonne erhob. In der Stadt mit den schützenden Mauern fühlte sie sich einfach sicherer.
    Ein leises Grollen erklang unmittelbar hinter ihr.
    Sie wandte sich um – und sah in die rot leuchtenden Augen eines weißen Loup-Garou! Er hatte die Mischform zwischen Mensch und Bestie angenommen und verharrte zwei Schritte von ihr entfernt. Die Muskeln waren angespannt, die lange, vernarbte Schnauze hatte sich leicht geöffnet. Geifer rann über die schwarzen Lefzen.
    »Nein«, raunte Anjanka zu Tode erschrocken.
    Die Leibwächter des Comte!
    Sie ging langsam rückwärts. »Nein, ich bin nicht …«
    Der Loup-Garou sprang sie an.
    Anjanka gelang es nicht, dem schnellen Gegner auszuweichen. Die Krallen bohrten sich unterhalb der Rippen in die weiche Bauchdecke und zerschlitzten sie. Sie schrie auf und versuchte, die zuschnappenden Zahnreihen von ihrem Hals weg zudrücken. Verzweifelt langte sie in die Fänge, die sich mit der unwiderstehlichen Kraft eines Fangeisens schlossen.
    Anjanka schrie und weinte gleichzeitig, als die Zähne ihre Finger brachen und aufrissen, zermalmten und teilweise abtrennten. Der stinkende Geruch der Bestie hüllte sie ein, die ohne zu zaudern nach ihrer Kehle trachtete und sich durch die schützend gehobenen, blutigen Arme hindurchbiss.
    Weg von hier! Mit allen Mitteln weg von hier, sonst bin ich gleich tot!
    In ihrer Not verwandelte sie sich in einen schwarzen Falter.
    Unter dem Leib des Loup-Garou verlor sie ihre menschliche Gestalt, wurde zu einer schwarzen Wolke, aus der sich das unscheinbare Insekt formte. Aber die Verletzungen ließen sich dadurchnicht heilen. Die Schwingen wiesen kleine Löcher auf, und der zierliche Körper verlor aus den offenen Wunden weiterhin Blut.
    Während die weiße Bestie suchend umhersprang und sie aus den glutfarbenen Augen verloren hatte, schwang sie sich taumelnd in die Lüfte.
    Hinauf zu den Sternen, die mich …
    Wie aus dem Nichts erschien eine aufgeklappte bräunliche Schnauze, in der spitze scharfe Zähne standen. Anjanka roch den widerlichen Atem, sah den schwarz gefärbten Rachen vor sich immer größer werden.
    Nicht noch einer!
    Sie flatterte so gut es ging zur Seite.
    Doch das Maul folgte ihrer Bewegung und schloss sich

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