Judassohn
wie alles enden würde.
Dominic wunderte sich. Die Revolution hatte nicht an Kraft verloren, sondern bis in die letzten Regionen um sich gegriffen und brachte einen gehörigen Wandel. Die Provinzen hießen jetzt Departements, Stadt- und Binnenzölle waren gefallen. Ansonsten blieb die Stimmung beim Volk merkwürdig beherrscht. Auch die einfachen Menschen aus Guérande schauten nach Paris, woder König und die Nationalversammlung um Zugeständnisse und Veränderungen rangen. Nach wie vor.
Die Bedienung kam zu ihm. Sie lächelte ihn an und betrachtete seine nicht eben billige Garderobe. Sie wusste nicht, dass sie von einem französischen Edelmann stammte, den er unterwegs überfallen und ausgeplündert hatte. Die prächtige Kleidung eines Osmanen wäre im Westen Frankreichs zu auffällig gewesen. Wie an den zig Abenden zuvor stellte sie einen Becher Wein vor ihn und ging zurück an den Tresen.
Hübsches Kind.
Dominic prostete ihr zu und dachte zurück an seine Reise, bei der er damit gerechnet hatte, dass Marek ihn irgendwann unterwegs einholte und ihn an den Haaren zurück nach Požarevac schleifte. Aber das war nicht geschehen.
Es ist so ruhig. Ruhig und irgendwie … gemütlich.
Dominic sah aus dem Fenster zum abendlichen Himmel hinauf.
Das gute Wetter spielt dem König in die Hand. Folgt auf die milden Frühjahrsmonate ein warmer Sommer, können die Bauern satte Ernten wie lange nicht mehr einfahren. Viel Korn bedeutetet viel Brot. Damit lassen sich die unzufriedenen Mäuler stopfen. Apropos unzufrieden …
Dominic hatte sich nach dem Söldner mit dem besonderen Schwert erkundigt, aber niemand hatte von ihm gehört und schon gar nicht etwas gesehen. Er schien niemals in Guérande angekommen zu sein.
Wie war noch mal sein verdammter Name? Er sagte mir, dass er auf einer Insel im Moor leben würde, aber es ist sinnlos, auf gut Glück die Suche zu beginnen. Das Moor ist riesig.
Dominic nippte am Wein und schob den Becher von sich.
Schrecklicher Geschmack! Blut wäre mir wesentlich lieber.
»Meine Schöne«, rief er der Bedienung zu, »bringst du mir bitte einen milden Cidre. Der wird mir mehr zusagen als diese bittere Traube.«
»Sofort, mon Seigneur!«
Er betrachtete die Menschen, die vor dem Fenster hin und her eilten und ihren Geschäften nachgingen. Salz wurde in rauhen Mengen durch die Gegend transportiert, mal in kleinen Säckchen, mal in Fässern, mal lose auf Karren, über die Planen ausgebreitet wurden, sobald sich eine Wolke am Himmel zeigte. Wasser war der größte Feind des kostbaren
fleur de sel
.
Er war auf seiner Reise vom Balkan bis in die Südbretagne durch etliche Städte wie Guérande gekommen. Städte bedeuteten viele Menschen und eine große Auswahl für Dominic. Serben, Österreicher, Deutsche, Franzosen, von allen Nationalitäten hatte er sich bei seinen Rasten Blut genommen, damit er kräftig genug blieb. Er hatte versucht, sich zurückzuhalten, aber zu zwei Dutzend Morden hatte ihn seine Gier sicherlich getrieben. Es war nicht anders gegangen.
Es wäre wieder an der Zeit.
Dominic bekam den Cidre von der jungen Frau gebracht. Bei der Übergabe des Bechers berührten sich ihre Finger, und er hielt sie fest.
Zarte, warme Haut. Wie ihr Blut schmecken würde?
»
Mon Seigneur?«
Seine Blicke wanderten an ihrer Hand den Arm hinauf, über die Schulter bis zum nackten Hals.
Ich sollte trinken. Am besten ihr Blut.
»Mon Seigneur?«, wiederholte sie amüsiert und versuchte, ihre Hand von seiner zu lösen. »Wenn Ihr mir keinen Ring anstecken und mich zu einer Comtesse machen wollt, dann gebt mich wieder frei.«
»Sag mal, du anmutiges Kind, hast du einen alten Söldner in Guérande gesehen?«, fragte er schmeichelnd. »Er muss ein sehr außergewöhnliches Schwert dabeigehabt haben, mit dem er gerne angibt. Wie … aus dem Horn eines riesigen Stiers gemacht.«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, mon Seigneur. Würdet Ihr meine Hand …« Die ersten Männer schauten herüber.
»Wie ist dein Name?« Er freute sich, seine Muttersprache zu hören. Das hatte ihm im Osten gefehlt. Und er mochte es, ihre Haut zu fühlen. Mit dem Daumen rieb er über eine Ader, die sich leicht abzeichnete.
»Estelle«, antwortete sie und tat einen Knicks. »Mon Seigneur. Was ist nun mit unserer Hochzeit?«
»Setz dich zu mir, schönes Mädchen«, bat Dominic und zog sie zu sich auf den Schoß. Mit der anderen hielt er ihr seinen Becher hin, damit sie davon trank.
»Mon Seigneur, bitte«, sagte Estelle
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