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Judassohn

Titel: Judassohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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und schließen sich stattdessen einfach!?
    Harm hatte versucht, eine höchst brisante Nachricht zu lesen, als sich die Anwendung ohne ersichtlichen Grund geschlossen hatte. Auf seinem Monitor sah er nichts außer seinem Gesicht, das dunkelbraune und das hellgraue Auge funkelten böse.
    »Mister Byrne? Sir?«
    Harm schaute ungehalten vom Bildschirm auf. »Was ist denn, Wilson?« Nebenbei klickte er herum, um das Programm wieder zum Laufen zu bekommen. Das Foto, das man ihm geschickt hatte, war wichtig. »Es ist gerade ungünstig für Nebensächlichkeiten wie schiefsitzende Krawatten, auf die Sie mich bestimmt aufmerksam machen wollen.«
    Der Butler verneigte sich auf diese wunderbar hüftsteif-elegante Weise, wie es nur britische Hausdiener konnten; dabei balancierte er das Silberkännchen mit dem Tee und das Geschirr auf dem Tablett souverän, als wäre es ein Körperteil und immer da. Wilson war Ende vierzig; er hatte unglaubliche und für Harm überflüssige Qualifikationen in seinem perfekten Arbeitszeugnis stehen. Der einwandfreie Leumund hatte den Ausschlag für die Anstellung gegeben. »Mister Byrne, Sie haben heute noch das Meeting in Ihrem Club. Ich sollte Sie daran erinnern, Sir.«
    Harm lächelte dankbar. »Verzeihung, Wilson. Gute Arbeit!Besser als jeder elektronische Kalender. Stellen Sie den Tee auf den anderen Tisch ans Fenster und machen Sie für den Rest des Abends frei.« Er senkte den Kopf und schaute wieder auf den flachen Monitor, wo eben das Mailprogramm anlief. Schnell öffnete er das Foto.
    Ein bekanntes, verhasstes Gesicht war zu sehen.
    Er ist gealtert. Extrem gealtert. Und doch müsste er tot sein.
    Harm würde die Züge unter Tausenden erkennen, auch wenn es schon sehr lange her gewesen war. Er war der Kreatur als Dominic de Marat begegnet und zu ihrem Schüler wider Willen geworden, bevor er die Flucht vor ihr ergriffen hatte. Dass Harm ihr sein Leben verdankte, bedeutete nichts. Er würde diesen Abschaum jederzeit umbringen.
    Baron Marek Illicz.
    Er tippte gegen den Bildschirm und das eingeblendete Gesicht darauf, als könnte er dem Judassohn auf diese Weise Schmerzen zufügen.
    Wieso lebst du noch? Haben dich deine Tränke also doch vor dem Zerfall bewahrt.
    In der Mail darunter stand zu lesen, dass die Bilder des Judassohns in Leipzig aufgenommen worden waren. Zum Spaß fuhr der uralte Vampir bestimmt nicht nach Deutschland.
    Was suchst du so weit außerhalb deines Gebiets? Auf der Jagd nach den Artefakten?
    Er betrachtete die anderen Fotos, die sein Informant geschossen hatte. Illicz hatte verschiedene Orte in Leipzig besucht, darunter etliche Gothic-Läden und eine alte, unterirdische Festungsanlage, in der täglich Veranstaltungen stattfanden.
    Sehr schön. Das könnte mir als Wohnort auch gefallen.
    Moritz-Bastei hieß die Anlage, die sich über mehrere Ebenen erstreckte. Leider würde sie die Stadt Leipzig mit Sicherheit nicht an ihn verkaufen, obwohl er bereits mehrmals, nein, oftmals die Erfahrung gemacht hatte, dass der Preis die Frage war. Nicht das »ob«.
    Suchen wir mal.
    Harm vergrößerte die Bilder eines nach dem anderen und betrachtete die Umgebung, in der sich der Vampir bewegte. Er achtete auf jede Kleinigkeit, von den Leuten bis hin zu den Sachen, die sie trugen. Uhren, Schmuck, Narben, nichts entging ihm.
    Nach vier Bildern und einer halben Stunde eingehender Begutachtung erhob er sich aus seinem Sessel und ging zu dem Couchtischchen, wo Wilson den Tee abgestellt hatte. Dank des Stövchens, das der Butler entzündet hatte, war das Getränk noch mehr als heiß und dampfte.
    Assam. Was Besseres gibt es nicht für die Seele. Außer Blut und Rache.
    Harm rührte zuerst Zucker, danach Milch hinein, nahm die Tasse und begab sich ans Fenster, das vom Boden bis zur Decke reichte.
    Unter ihm breitete sich London aus. Er befand sich im fünfzigsten Stock des
One Canada Square
auf knappen zweihundertdreißig Meter Höhe. Von hier überblickte Harm das Zentrum seines Reichs, das er mit eiserner Hand führte. Sowohl die legalen als auch die illegalen Geschäfte.
    Erleichternd für ihn war, dass es in England und Irland eher wenige Vampire gab, die er von daher ohne weiteres kontrollieren konnte.
    Alle fürchteten sich vor ihm. Ausnahmslos.
    Harm wurde aufgrund seiner multiplen Kräfte von den britischen Blutsaugern
Ubervampyr
genannt. Die menschlichen Halunken, die ihn hassten, sagten zu ihm dagegen einfach nur
ultrabrutales Arschloch
. Die eigenen Leute und Verbrecher, die ihn

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