Judassohn
schmale Sonnenbrille auf. Er mochte den ultracoolen Look. Mit dem Lift ging es in die Tiefgarage, wo eine nette Sammlung gepanzerter Wagen auf ihn wartete.
In welcher Gestalt habe ich sie kennengelernt: Tanguy, Sandrine oder Dominic? Hatte es mit dem Pakt oder dem Schwert zu tun?
Harm lehnte sich gegen die verspiegelte Wand. Illicz ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Illicz und dieses Frauengesicht …
Wieder schweiften die Gedanken ab, blieben aber bei der Thematik des Schwerts.
Er hatte in seiner ganzen Zeit auf dem Weg an die Spitze nur wenig Rückschläge hinnehmen müssen. Einer davon war der Verlust des Hornschwerts und des Dämonenzahns.
Man hatte es ihm gestohlen, und außer seinem einstigen Mentor fielen ihm nur wenig Kreaturen ein, die mit dem Artefakt etwas anfangen konnten. Es gab noch ein paar merkwürdige Dämonenanbeter, denen er jedoch wenig zutraute. Sie schienen ihm zu unorganisiert, um einen solchen Plan umsetzen zu können.
Ich mag keine Niederlagen.
Eine zweite gab es noch: der Bau des Eurotunnels.
Durch die Betonröhre konnten alle Vampire, die von fließendem Wasser abgeschreckt wurden, seither ganz einfach nach England gelangen. Die rechtlichen Tricks, die er über Strohmänner versucht hatte, sowie die Sabotageakte hatten das Loch in der Erde nicht verhindern können.
Ich müsste ihn doch sprengen. Ich habe keine Lust, dass Illicz so einfach in mein Reich gelangen kann.
Der Fahrstuhl wurde langsamer und kam zum Stehen, die Türen öffneten sich.
Erst die Sache im Club regeln. Eins nach dem anderen.
Harm betrat die Tiefgarage und ging zielstrebig zum neuen Ford Mustang. Die dunkelgraue Oberfläche wirkte stumpf und war das Resultat einer besonderen Lackierung. Der Wagen lief mit siebenhundert Pferdestärken und verfügte über eine massive Stoßstange, um alles aus dem Weg zu räumen, was ihn bremsen wollte.
Eine Stoßstange, die ihren Namen verdient hat, und nicht wie dieser lackierte Plastikschrott.
Er stieg ein und startete den Motor, lenkte den Mustang die Rampe hinauf und tauchte in den Londoner Verkehr ein.
Als er an einem Friedhof vorbeifuhr, erinnerte er sich an die Siebziger, als ihn ein paar Verrückte über den Highgate-Friedhof gejagt hatten. Ein einziges Mal hatte Harm nicht achtgegeben und sich zum Bluttrinken fast in aller Öffentlichkeit hinreißen lassen – und prompt war er bemerkt worden. Irgendwie hatte es sich unter sämtlichen Wahnsinnigen der Stadt herumgesprochen. Man hatte ihn zwar nicht erwischt, aber den Friedhof verwüstet, Leichen ausgegraben und vermeintliche Vampire gepfählt. Seitdem war Harm extrem vorsichtig geworden.
Was wäre das heute dank Skype und dem ganzen Scheiß mit den elektronischen Nachrichtensystemen für ein Auflauf geworden?
Sein Telefon klingelte wieder, Stevens’ Nummer blinkte auf dem Display. Er leitete das Gespräch auf das Headset um. »Sagen Sie mir nicht, dass die Russkies und die Japsen sich schlagen.«
»Nein, Lord Mayor. Noch nicht. Aber ich wollte lieber sichergehen …«
»Geben Sie mir zehn Minuten, Stevens. Schenken Sie denen was aus. Auf Kosten des Hauses.« Harm machte sich jetzt auch Sorgen. Der Geschäftsführer war ein harter Hund, der viel erlebt hatte. Wenn
er
besorgt klang, sah es nicht gut aus.
Harm drückte das Gaspedal durch, der Mustang röhrte auf und pflügte viel zu schnell durch den Verkehr. Nach acht Minuten erreichte er das
Bunnock
, keine dreißig Sekunden danach stand er neben Stevens, der angespannt zwischen den Gruppen hin und her blickte.
»Lord Mayor«, sagte er erleichtert. »Sie kommen gerade recht, um die Raubtiere zurückzutreiben.«
Oder ihnen die Kehlen aufzuschlitzen.
Harm nickte zuerst den Russen zu und verneigte sich dann vor den Japanern. Maßanzüge bei den Asiaten, zu bunte, bedruckte Shirts und legere Sportsakkos beim Schaparow-Clan. Er deutete mit der Rechten auf eine unscheinbare Tür, auf der
Members only
stand.
Die Männer und Frauen der Delegationen erhoben sich und verschwanden in den Raum dahinter.
»Wie die Kätzchen«, entfuhr es Stevens. »Wie machen Sie das?«
»Angst, Stevens.« Er grinste. »Sie haben Angst vor mir.« Er ließ ihn stehen und folgte den Verbrechern, die gekommen waren, um eine kleine Scheibe von seinem Kuchen abzubekommen.
Sie werden drohen, sie werden Versprechungen machen, aber am Ende werden ihre Worte obsolet sein.
Harm wusste nicht mehr, wie viele solcher Gespräche er in den letzten zweihundertzehn Jahren geführt hatte.
Die Zeiten
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