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Judassohn

Titel: Judassohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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wieder senken.
    Ich … bin verrückt?
    Sie schluckte schwer, Tränen stiegen auf. Sie presste Anjanka einen Kuss auf den schwarzen Schopf.
    Du hast mich mehr geliebt, als ich ahnen konnte.
    Auch wenn ihr danach war, ihren Schmerz herauszuweinen und zu schreien, richtete Sandrine die Augen wieder auf die Zeilen. Sie musste weiterlesen, bevor ihre Seele im Leid versank.
Ich hätte dir dieses Geheimnis schon früher offenbaren können.
    Aus Eigennutz tat ich es nicht.
    Ich wollte meine geliebte Sandrine nicht verlieren, mit der ich glücklich war. Solange wir in Irland gelebt haben, hast du niemals die Figur von Dominic eingenommen oder im Schlaf als Tanguy gesprochen.
    Daraus schloss ich: Du warst glücklich als Sandrine. Glücklich an meiner Seite.
    Dafür war ich dem Leben dankbar und wollte es nicht verlieren, da ich um meine kurze Existenz wusste.
    Aber nach meinem Tod sollst du die Wahrheit erfahren, um selbst zu entscheiden, als welche Person du auf der Erde wandeln möchtest.
    Ich bitte dich um Vergebung dafür, dass ich dir die Wahrheit nicht selbst von Angesicht zu Angesicht gesagt habe. Ich bin eine schreckliche Egoistin!
     
    Mein Herz, ich bin tot.
    Ich hoffe inständig, meine Seele ist nicht zu einem Dämon gezogen.
    Mein sehnlichster Wunsch wäre es gewesen, als Geist auf der Erde zu verweilen und immer über dich zu wachen. Ich danke dir für deine großartige Liebe!
    Sandrine ließ die Blätter fallen – und weinte endlich.
    Und während das Papier raschelnd auf den Boden traf und sich ein Tränenstrom aus ihren Augen ergoss, veränderte sich ihr Gesicht, ihre Statur. Zuerst weinte Tanguy Guivarch um Anjanka, und nach einer Weile formten sich Dominic de Marats Züge. Alle drei trauerten um die Tenjac.
    Etwas Beeindruckendes geschah: Ihre Erinnerungen und Gedanken verschmolzen. Tanguy, Sandrine und Dominic wurden eins. Die Brière, Paris, Tarascon und Dublin, die einzelnen Wege dazwischen, die Geschehnisse und die Personen tauchten auf, verwoben sich. Mariette und Gwenn tanzten fröhlich durch Guérande,Szomor schwenkte ein Fläschchen mit brodelndem Inhalt, Natalie beschwerte sich über ihren Mann, Isabeaux’ und Isabelles Stöhnen erklang, der Comte de Morangiès stand in einer Gasse; Vanja, Ignaz und Gregorius, Vigno und Brieux … der schwindelerregende Reigen der Personen in ihrem Kopf wollte nicht enden. Dazu wirbelten Gegenstände um die Menschen und Vampire wie bei einem Mobile … die
tortue,
das Schwert, Bücherrücken, Galettes …
    Noch während ihre Gedanken zu einer Erfahrung und zu einer einzigen Geschichte wurden, verschob sich das Gesicht erneut und nahm eine gänzlich andere Form an. Ein neues Wesen wurde geboren, mit dem Wissen der drei Individuen vorher. Es wusste von Isabeaux, von Mariette, von der Baronin, vom Pakt und den Geheimnissen des Dämonenschwertes. Es wusste von ALLEM!
    Ich entstehe neu!
    Seine Gestalt blieb die eines Mannes. Die Haare schrumpften, wurden kurz und schwarz.
    Mit dem heutigen Tag sind die drei Vergangenheit.
    Der Mann drückte die verblühte Anjanka an sich und hielt sie in den Armen. Er trauerte um sie, als wäre es seine verstorbene Frau.
    Mein Name ist Harm. Und ich werde meinen dämonischen Herren entkommen. Ich will kein Sklave der Unterwelt sein und meine Seele nicht opfern.
    Harm küsste Anjanka liebevoll auf die Stirn.
    Ich schwöre es dir. Irland und England gehören mir. Die Inseln sollen mein Imperium sein, solange ich lebe. Ich vernichte jedes Judaskind und jeden seiner Nachfahren, die einen Fuß daraufsetzen.
    Er erhob sich und trug sie nach oben. Anjanka würde in dieser Nacht begraben werden und ihre Ruhe finden.

LAMENTO VI
     
    Will nicht
leben,
will nicht
sterben.
Will doch
töten
und
will doch
lieben.
Monstrum.
     
    Abwesenheit von Licht,
tiefste Dunkelheit.
Sie gebiert
Furcht und Stille.
Der kleinste Schimmer
weckt die Hoffnung,
lockt die Seele
und verspricht Geborgenheit. Sicherheit.
Lauf, Mensch, lauf zum Schimmer!
Es sind meine
Augen …
     
    Gäbe es einen Himmel,
ich würde ihn in Brand stecken.
Gäbe es Engel,
ich würde ihnen die Flügel ausreißen.
Gäbe es einen Gott,
würde ich ihn töten
und seinen Sohn wieder auf die Erde schicken,
damit er noch einmal gekreuzigt wird.
Mein Hass auf mich
soll andere treffen.
Denn ich
bin
unschuldig.

GESCHICHTEN
AUS DEM LEBEN
VON HARM BYRNE

KAPITEL I
     
Spätherbst 2007,
Docklands, London, Großbritannien
    Verdammte E-mail-Programme! Warum öffnen sie nicht den Anhang, wie sie es sollen,

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