Judassohn
seine Brust, Lippen berührten seinen Mund und gaben ihm einen sanften Kuss. »Ich muss gehen, Tanguy. Mein Vater wird sich sonst wundern. So lange habe ich noch nie gebraucht, um die Netze zu prüfen.«
Er blinzelte in die Sonne und sah die Umrisse eines Frauenoberkörpers. »Bist du sicher?« Er streichelte ihr Gesicht, fuhr über ihre bloßen Schultern, ehe er sich aufrichtete und ihre langen blonden Haare zur Seite schob. Zärtlich küsste er ihre linke Brust und spürte, wie sie genießend erschauderte. »Ich glaube, ein Netz müsste noch geflickt werden.«
Gwenn lachte auf, schob ihn zurück und streifte ihr Gewand mit einer raschen Bewegung nach oben. Ihre Brüste verschwandenunter dem Stoff. »Du könntest ständig Netze flicken.« Sie prüfte die Schnürung des einfachen Leinenkleids und zog sie straffer. »Und ich auch. Nur mit dir. Aber noch sind wir nicht vermählt, also lassen wir unsere Eltern im Glauben, dass wir das hier nicht tun.« Sie schöpfte etwas Wasser mit der Hand und bändigte damit die zerzausten Haare, ehe sie die Haube daraufsetzte.
Tanguy beobachtete sie dabei und lächelte noch immer.
Er war der glücklichste Mann des kleinen Weilers Kerhinet, und das ganz ohne übermäßiges Vermögen. Das Geld, das er als Schilfbauer verdiente, erlaubte ihm nur ein bescheidenes Leben. Aber Gwenn machte ihn dafür umso reicher. Durch ihre Art, ihr Lachen und ihre Liebe zu ihm.
»Wie wundervoll du bist«, sagte er leise und richtete sich zum Sitzen auf. »Ich werde alles tun, um dich zu einer glücklichen Frau zu machen.«
»Das tust du schon. Und damit meine ich mehr als Liebe machen.« Sie erhob sich trotz des schwankenden Untergrunds und machte einen sicheren Schritt hinüber auf das zweite Boot, das längsseits lag. »Auch wenn du das sehr gut kannst«, fügte sie zwinkernd hinzu.
»Unsere Kinder werden einzigartig«, schwärmte er und sprang auf, und sie lachte wegen seines Überschwangs. »Es werden die besten und schönsten Kinder von Frankreich! Und sie werden schlau sein! So schlau, dass sie … Minister … nein, König werden!«
»Lieber nicht.« Gwenn nahm den Stab, mit dem der Kahn durch das Moor gestakt wurde. »Es ist keine gute Zeit für Könige. Es reicht, wenn unsere Kinder so gute Handwerker wie ihr Vater werden.« Sie warf ihm eine Kusshand zu. »Adieu! Wir sehen uns bald wieder. In ein paar Tagen ist das Salzfest in Guérande. Mein Vater möchte dich und deine Eltern dort sehen. Ihr seid eingeladen.« Sie stieß sich vom Grund des Moors ab und steuerte durchdas Schilfmeer auf den kleinen Kanal zu, der nur wenige Meter von ihnen entfernt verlief.
»Das höre ich gern!« Tanguy jauchzte. Er wusste nicht, wohin mit seinen vielen Gefühlen und seinem Übermut. Er winkte ihr zu. »Ich denke an dich, Geliebte! Und ich vermisse dich schon jetzt!«
»Zieh dich lieber an«, rief sie zurück, während das Boot nach und nach durch die Halme verdeckt wurde. Aus der jungen Frau wurde wieder eine Silhouette. »Wer dich so sieht, glaubt am Ende noch, dass du die Enten zu Tode erschrecken und auf diese Weise fangen möchtest.« Dann war sie verschwunden.
»Ach«, seufzte er und schloss die Lider, um sich einige süße Momente der Leidenschaft, die sie eben geteilt hatten, mit Hilfe seiner Vorstellungskraft zurückzuholen: ihr schlanker Leib, der sich unter seinem bewegte, die goldenen Haare, in die er so gern sein Gesicht vergrub. Und ihr Geruch …
Nein. Ich muss zurück. Mutter wartet!
Um sich abzukühlen, sprang er ins dunkle Wasser und tauchte kurz unter. Dabei berührten seine Füße den weichen Boden des Moors.
Schnell zog er die Beine an. Der Untergrund war tückisch, hielt seine Beute fest wie eine weiche, zuschnappende Falle. Tanguy kannte die Besonderheiten. Er war in Kerhinet geboren und wusste mit seinen einundzwanzig Jahren, worauf er achten musste, um nicht in Gefahr zu geraten.
Er kehrte an die Oberfläche zurück und zog sich über den Rand zurück ins Boot, streifte das Wasser ab und zog sich an. Dabei fiel sein Blick auf den kleinen roten Fleck am rechten Unterarm. Das Feuermal hatte ihm die Mutter vererbt.
Am Bug lagen drei Enten, die er unmittelbar nach seinem Aufbrechen geschossen hatte. Er bevorzugte den Umgang mit Pfeil und Bogen, weil sich die lautlose Fernwaffe hervorragend zur Jagd im Schilfdickicht eignete. Ging ein Schuss fehl, wurde das Tier nicht gleich verjagt, und er bekam meist einen zweitenVersuch. Außerdem musste er kein anfälliges Pulver, keine
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