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Judassohn

Titel: Judassohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Anspielungen verstehen?« Pirot war ihr Name im französischen Exil gewesen, wohin sie nach ihrer Abkehr von den Kindern des Judas und von Marek vor dreihundert Jahren geflüchtet war. In die Bretagne.
    »Ja, ich kenne dich schon sehr lange. Vielleicht war ich dir schon früher auf den Fersen, ohne dass du es bemerkt hast?« Die Unbekannte kicherte. »Nein, es gab andere Dinge, die ich verfolgen wollte.
Du
wärst mir nicht davongelaufen, das wusste ich schon immer. Was ich tat, sollte mich auf
den
Tag vorbereiten, an dem ich dich ausfindig machen würde.«
    Was erzählt sie für einen Mist?
    Sia hatte keine Idee, wer vor ihr saß, aber sie wollte sich nicht länger damit aufhalten. Diese Geistesgestörte wollte kämpfen, gut. Gnade würde sie ihr keine gewähren.
    Wer Elena und Emma in Gefahr bringt, muss sterben.
    Sie machte übermenschlich schnelle Schritte über die Leichen hinweg und warf sich mit den Dolchen auf die unbewaffnete Gegnerin.
    Die Frau brach blitzartig die Lehne ab und schlug nach ihr.
    Sia wich aus, weil sie mit einer Attacke gerechnet hatte. Die gesplitterte Spitze verfehlte ihre Brust, dafür traf sie ein harter Schlag in den Rücken. Die zweite Lehne hatte sehr wohl getroffen:Eine blutige Holzspitze ragte aus ihrem Bauch, eine Finger-länge unterhalb des Herzens.
    Das bringt dir nichts!
    Sia spürte den Schmerz, stach dennoch nach der Gegnerin.
    Der rechte Dolch bohrte sich in die Sessellehne, der linke schrammte über die Sitzfläche. Die Feindin hatte sich ihren Angriffen entzogen.
    Lautes, gehässiges Gelächter schallte durch das düstere Wohnzimmer.
    Wie hat sie das angestellt?
    Sia schaute gehetzt in alle Richtungen und nahm an, dass sie an eine Blutsaugerin geraten war.
    Die Unbekannte saß auf der großen Standuhr, die Beine übereinandergeschlagen, und tat so, als sei sie gelangweilt. Das gespielte Gähnen bereitete ihr sichtlich Vergnügen. »Ich habe gehört, dass du eine herausragende Dolchkämpferin sein sollst. Gut, es liegt einige Jahrzehnte zurück. Sollte dir das Alter die Geschwindigkeit geraubt haben? Oder willst du mich täuschen?«
    Sia zog sich den improvisierten Pflock aus dem Leib, schleuderte ihn davon.
    Sie weiß zu viel aus meinem Leben.
    »Ich hoffe, es tut dir richtig weh?« Wieder lachte die Gegnerin herzlich und böse zugleich. »Ich hatte wie du schon sehr viele Namen. Sie dir zu nennen würde nichts bringen.« Sie erhob sich und war im nächsten Augenblick unsichtbar geworden.
    Das gab Sia einen Anhaltspunkt.
    Eine Viesczy!
    Diese Vampirrasse konnte unangenehm werden. Sia war sich keiner Schuld bewusst, in den letzten Jahren einen von ihnen getötet zu haben. Abgesehen von dem Vorfall an der Windmühle. Das jedoch lag in der Verantwortung von Marek.
    »Du willst mich töten? Dann zeige dich, und …«
    Ein Hieb traf sie in den Rücken, die Wucht ließ sie stolpern.Jemand zog ihr dabei die Füße weg, und sie stürzte in das Knäuel aus Toten. Unverzüglich wollte Sia auf die Füße springen.
    Die Frau stand über ihr, drückte ihr die Sohle brutal ins Gesicht. Sias Nase brach.
    Die Standuhr schlug viermal hell, dann setzte die Serie von dumpfen Schlägen ein.
    »Frohes neues Jahr,
Mutter!
«
     
    ***

LAMENTO II
     
    »Denn alles, was entsteht,
ist wert, dass es zugrunde geht.«
     
    Weise Worte, Mephisto. Weise Worte.
Doch wenn es
wieder
entsteht?
Und wieder?
Was sagst du dann, Mephisto?
     
    Unheilige Renaissance, ausgekotzt von der Hölle,
unfähig, sich selbst zu begegnen.
Den Verstand zu bewahren.
     
    Ach, ihr Schatten, du Dunkelheit!
Wär’ ich dazu bereit
mein Leben zu geben -
wer würd’ es nehmen?
Niemand will es,
vergeudet ist es.
Tue mir leid, so leid,
und wär’ so gern
befreit.

DAS BUCH
TANGUY

KAPITEL I
     
Spätsommer 1781, Frankreich,
Süd-Bretagne, nahe Kerhinet (Pays noir)
    Die Landschaft der Brière sprach zu ihm.
    Sie wogte, sie rauschte und sie flüsterte, während er im Boot lag und die Augen lächelnd geschlossen hielt. Die unzähligen langen Schilfhalme bogen sich im Wind, die Stengel rieben aneinander, und die Blätter raschelten. Wasser gluckste leise, Vogelrufe erklangen in unregelmäßigen Abständen.
    Warm schien die Sonne auf ihn nieder und trocknete seine feuchte Haut. Das Boot, auf dessen Boden er lag, bewegte sich kaum im strömungslosen Wasser. Besser konnte man einen Tag nicht verbringen.
    Dann schwankte der Untergrund plötzlich, das Holz knarrte sanft. Er spürte, dass sich ihm jemand näherte.
    Eine Hand legte sich auf

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