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Judassohn

Titel: Judassohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Franzosen.«
    Die Wärter machten zwei Schritte die Stufen hinab, hoben die Knüppel. Eine Abreibung als Lohn für die mutigen Widerworte stand kurz bevor.
    Der Adlige hielt sie mit einem kurzen, scharfen Befehl zurück, als seien sie abgerichtete Hunde und keine Menschen. »Du bist ein halber Engländer, Junge, wie alle Bretonen. Finde dich damit ab.« Auf dem glattrasierten Gesicht zeigte sich Missmut. »Wennder König mich fragen sollte, werde ich ihm empfehlen, das Land an die Briten zurückzugeben: das Meer zu rauh, die Menschen zu stur und die Musik zu furchtbar. Der Wein hilft mir zu vergessen, wo ich bin.«
    »Warum geht Ihr nicht dahin, woher Ihr und Euer Sohn stammen?«, gab Tanguy zurück.
    Der Mann zuckte zusammen, die Augen wurden zu schmalen Schlitzen.
    »Wie redest du mit dem Comte de Morangiès?«, schrie der Bullige und lief die Stufen hinab. Jetzt wurde er nicht mehr von seinem Herrn zurückgepfiffen. »Verneige dich vor dem Marquis von Saint-Alban, Chevalier de Saint-Louis, Seigneur zahlreicher Pfarreien und einst erfolgreichen Lieutenant Général Seiner Majestät!« Bevor Tanguy etwas tun konnte, zuckte der Stock nieder und versetzte ihm einen schmerzhaften Hieb gegen den linken Oberarm. »Hast du nicht gehört, Bursche?«
    Tanguy verbeugte sich hastig, wenn auch nicht ohne inneren Widerstand. Das Letzte, was er wollte, war ein Zwist mit einem Comte, der ihm das Salzfest und damit das Wiedersehen mit Gwenn verdarb.
    De Morangiès trat an den oberen Treppenabsatz. Jetzt wirkte er misstrauisch, geradezu argwöhnisch-feindselig. »Wie lautet dein Name?«
    »Tanguy Guivarch.«
    »Woher weißt du von meinem Enkel?«
    »Er war bei uns, mon Seigneur.«
    »Lüge!«, rief der Comte, und der Wächter schlug sofort zu. Der Prügel knallte auf den Rücken, was Tanguy zum Aufstöhnen brachte. »Wage es nicht …«
    »Es war vor etwa einen Monat, mon Seigneur. Er kam allein nach Kerhinet«, erklärte er und spürte, wie der Schmerz langsam die Hitze verlor und zu einem dumpfen Pochen wurde. »Er hat bei uns Galettes gegessen. Galettes mit Honig. Er antwortete aufkeine unserer Fragen und ging wieder. Aber er nahm sich eine meiner erlegten Wildenten mit.«
    Der Comte warf dem Mann zu seiner Rechten einen langen, bösen Blick zu. »Sagtest du nicht, ihr hättet ihn zu keiner Zeit aus den Augen gelassen?«
    »Der Bursche lügt, mon Seigneur!«
    Tanguy wurde wütend und wollte etwas erwidern.
    Aber der Comte war schneller. »Warum sollte er das?«
    »Weil er … sich wichtig machen will, mon Seigneur. Mag sein, dass er uns unterwegs mit dem Knaben gesehen hat, mon Seigneur, und jetzt versucht er, ein paar Livres mit der Geschichte zu ergaunern. Er will die Auslagen ersetzt haben und wittert Geschäfte.«
    »Er war bei uns«, beteuerte Tanguy inständig und entsann sich der unschönen Einzelheiten. »Er hat den Kopf der Ente abgebissen und ihr die Federn ausgerissen.«
    »Erfunden und erdichtet.« Der Wärter zeigte mit dem Stock auf ihn. »Er ist nicht zufällig vor Eurem Haus erschienen, mon Seigneur.«
    »Unfug«, rief Tanguy aufgebracht. »Ich habe den Jungen vorhin in der Stadt gesehen und bin ihm bis hierher gefolgt, um …«
    »Was?«, brauste der Comte auf, packte den Diener an der Gurgel und hob ihn an, so dass er auf den Zehenspitzen stehen musste. Er besaß nicht nur unglaubliche Ausstrahlung, sondern auch unerwartet viel Kraft. »Ihr seid hier, damit er nicht unbemerkt verschwindet!«
    »Ein Lügner, mon Seigneur«, krächzte der Mann mit Atemnot. »Er will sich wichtig machen. Ich schwöre, dass Euer Enkel nicht hinausgelangt ist!«
    »Das ist …«, setzte Tanguy zornig an und bekam wieder den Stock zu spüren, dieses Mal mit der stumpfen Spitze in den Bauch. Er hustete und sank auf das Kopfsteinpflaster.
    Der Comte schleuderte den Livrierten mit einer beiläufigenwie auch selbstverständlichen Bewegung zur Seite, als wäre er ein schmutziges Taschentuch, und damit die Treppe hinab. Kopfüber fiel er die Stufen hinunter und verlor dabei seinen Prügel. »Ich glaube dem Burschen«, gab er ihm zur Erklärung. »Das war der erste Teil deiner Strafe. Den zweiten erhältst du zu einer anderen Gelegenheit.« Er langte in die Tasche der Culottes und warf Tanguy ein paar Livres vor die Nase. Klingelnd und klirrend landeten sie vor ihm, hopsten und sprangen. »Das, Guivarch, ist für dich.« Er senkte die Stimme. »Dafür wirst du vergessen, dass mein Enkel bei euch war, oder es stets bestreiten, sollte dich

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