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Judassohn

Titel: Judassohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Gruppe Weinhändler nach dem Überfall auf euch ausgeraubt und sind weiter zur Küste gezogen«, erzählte Gurvan verbittert. »Ich denke, sie sind mit einem Boot geflüchtet.«
    »Möge die See sie verschlingen!«, stieß Mariette aus. »Ich wünschte, man würde sie fangen und hängen! Damit der Tod meines armen Jungen gerächt ist und seine Seele Ruhe findet. Das Moor braucht nicht noch eine weitere Spukgestalt.« Sie blieb am Kopfende des Sarges stehen, fuhr Tanguy über die Haare und legte die Hand auf seine Stirn. »O Herr, hab Erbarmen! Mein armer Junge«, flüsterte sie und griff mit der anderen Hand nach Gwenns Arm.
    Gwenn rang erneut mit den Tränen und sah auf Tanguys Schuhspitzen, den Rosenkranz fest umklammert.
    Könnte ich es ungeschehen machen, ich würde mein Leben …
    Mariettes unerwarteter Schmerzensschrei ließ sie zusammenzucken. »Was hast du?« Sie schaute erschrocken nach ihr – und sah, dass Tanguys Zähne sich um ihr Handgelenk geschlossen hatten! Das Blut floss aus der Wunde direkt in seinen Mund. »Gott im Himmel!«, rief sie entsetzt, sprang auf und bekreuzigte sich.
    Gurvan und Pierrick saßen stocksteif auf ihren Stühlen, ihre Mutter starrte auf den Toten.
    Tanguy riss die Augen auf, fauchte und biss fester zu. Die Hand wurde regelrecht abgeschnitten und fiel auf die Dielen. Gierig sog er am Stumpf, während Mariette ohnmächtig neben dem Sarg niedersank.
    Er hielt ihren Arm fest und labte sich am sprudelnden Lebenssaft, die Augen verlangend auf die Brüder und seine Geliebte gerichtet. Er soff regelrecht, und das Blut lief ihm über das Kinn und den Hals hinab. Dabei veränderten sich seine Züge, wurden dämonischer. Die gebrochenen Knochen an der Wange und der Nase schoben sich zurück an Ort und Stelle, wo sie bei einem Menschen hingehörten.
    »Revenant. Ein Wiedergänger! Jean hatte recht«, raunte Gwenn zutiefst erschüttert. »Der Vollmond! Er hat den Sarg beleuchtet …«
    Gurvan kam zu sich. »Bei Gott! Allmächtiger, stehe uns bei! Ein Fluch hat ihn getroffen!«, rief er aufspringend und wich zur Tür zurück. Unschlüssig machte er wieder einige Schritte nach vorn. »Maman!« Er raufte sich die Haare. »Hilfe!«, kreischte er.
    Pierrick blieb ruhiger und hob den Rosenkranz, so dass das Kruzifix sichtbar vor seiner Faust baumelte. »Zurück, Revenant«, befahl er. »Lass ab von ihr!«
    Tanguy gab den Arm frei. Er fauchte das Kreuz an und zeigtedem Trio lange, kräftige Fänge, die ausgereicht hätten, um einem Pferd die Kehle zu zerfetzen. Der Unterkiefer klappte ihm dabei fast bis auf die Brust herab.
    »Gurvan, du bringst Maman in Sicherheit«, wies er den Bruder an und ging langsam vorwärts. »Gwenn, lauf hinaus und hol den Pfarrer. Ich weiß nicht, was das ist, aber es hat nichts mit unserem Kleinen zu tun. Ein Dämon ist in ihn eingefahren. Wir brauchen den Pfarrer und seine Gebete. Seine
besten
Gebete!«
    Aber Gurvan raufte sich noch immer die Haare, stammelte unverständliches Zeug. Er war zu verängstigt und verwirrt, um zu handeln.
    Tanguy sprang aus dem Sarg und blickte zähnefletschend zum Fenster.
    Ich werde nicht wieder flüchten.
    Gwenn nahm ihren Mut zusammen, hängte sich den Rosenkranz um den Hals und kroch auf Mariette zu. Sie legte das Ohr auf die Brust der alten Dame. Das Herz schlug nicht mehr, wie sie erschüttert feststellte. »Sie … ist tot!«
    Tanguy packte plötzlich den Sarg, der in seinen Händen so wenig wie ein leerer Eimer zu wiegen schien, und schleuderte ihn nach Pierrick.
    Das Geschoss flog so schnell, dass er nicht mehr ausweichen konnte. Eine Kante traf ihn an der Schulter und warf ihn um. Der Rosenkranz glitt ihm aus den Fingern.
    Sofort stürzte sich der Revenant auf ihn. Die Fänge schnappten dermaßen schnell zu, dass Pierrick keine Zeit zum Schreien blieb. Seine Arme ruckten zwar noch in die Höhe und ließen den Abwehrversuch erkennen, da war seine Kehle jedoch bereits geöffnet.
    Knurrend und stöhnend schluckte Tanguy das Blut seines Bruders und ließ den Leichnam achtlos fallen, um sich Gurvan zuzuwenden. Das Rot floss aus seinem weit geöffneten Maul und tropfte auf den Boden.
    Gott! Steh uns bei!
    Gwenn stürzte auf das Fenster zu, fegte die Vorhänge zur Seite und öffnete die Flügel. »Zu Hilfe!«, schrie sie aus voller Lunge und schwang sich auf das Brett. »Revenant! Revenant! Holt den …«
    Eine Hand packte ihr blondes Haar und zog sie kraftvoll zurück.
    Sie flog zwei Schritte durch den Raum und fiel mit dem Rücken

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