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Judassohn

Titel: Judassohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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und ausliefen.
    Er saugte und schluckte, presste den Toten an sich wie einen Geliebten, um jeden Tropfen in sich aufzunehmen. Ein Rausch!
    Das sengende Feuer in ihm schwächte sich ab, gelöscht vom Blut und von der Lebenskraft des Fischers, und verlor seine peinigende Wirkung. Leider verebbte der süßlich-eiserne Strom viel zu schnell.
    »Ho, ihr da draußen!«
    Autre hielt inne. Die säuselnde Stimme schien von überall gleichzeitig zu kommen und passte zum allgegenwärtigen Rauschen der Schilfhalme.
    »Ho, ihr da draußen!«
    Ist noch ein Fischer unterwegs?
    Er zerrte die Leiche hinter sich her. Ganz in der Nähe war ein Moorloch, in dem er sie versenken wollte. Man würde das Verschwinden dem Riesen in die Schuhe schieben.
    Wenig später hatte er die Stelle erreicht, die nicht mehr war als ein schwarzer Fleck im dunklen Braun, mit alten Schilfblättern bedeckt. Für Unvorsichtige und Unkundige bestand kein Unterschied zum übrigen Sumpf. Er ließ den Toten mit dem Kopf voran hineinrutschen. Blubbernd und kleine Blasen schlagend, sackte er durch die dünnen Blätter in die zähe Masse.
    »Ho, ihr da draußen!« Das Säuseln war ihm gefolgt und echohafter geworden.
    Ist das der Riese?
    Die Vorstellung, dass er sich sein Reich mit einer anderen Kreatur teilen musste, die sich nicht zu den Menschen zählte, bereitete ihm Unbehagen.
    Leise eilte er über die wippenden Graspolster und verlegte sich auf die Flucht. Auf einen Kampf wollte er es gegen das, was ihm nachstellte, nicht ankommen lassen.
    »Ho! Ich sehe dich!«, erklang eine Art fröhlicher Singsang. Ein Schatten flog über ihn hinweg. Heftige Böen wehten ihm entgegen und schienen ihn am Weiterkommen hindern zu wollen! »Du entwischst mir nicht!«
    Autre blieb stehen. »Bist du der Riese?«
    »Ich bin, was ich bin. Nenn mich Riese, wenn du willst«, ertönte die seltsame Antwort in einem unbekannten Akzent. Dann trat ein übergroß gewachsener, schlanker Mann in schilffarbener Kleidung wie aus dem Nichts an ihn heran. Er war glatt rasiert und viel zu dünn. Die hohlen Wangen betonten die Augen, die im Mondlicht leuchteten. »Aber für die meisten bin ich nur
der Tod!
« In der Linken hielt er ein langstieliges Beil. »Ich weiß, der Schnitter sollte eine Sense führen. Aber mir gefällt diese Waffe besser. Sie erinnert mich an meine Heimat.« Mit dem letzten Wort drosch der Riese zu.
    Der Schlag kam schnell, doch Autre wich der Schneide aus und ließ den Gegner nicht aus den Augen.
    Der Riese fuhr sich durch die langen schwarzen Haare, legte den Kopf schief und betrachtete ihn. Er vollführte ein paar langsame, spielerische Hiebe. »Gelingt dir das noch einmal?«
    Die Attacke schoss auf seinen Hals zu.
    Du bist zu langsam für mich.
Autre machte einen Schritt zur Seite und fing das Beil unterhalb der Klinge ab, dann trat er dem Riesen in den Bauch, was seinen Feind rückwärtsfliegen ließ. Nun hielt er die Waffe in der Hand. »Du bist nicht so stark, wie ich zuerst dachte. Die Menschen haben unberechtigt Angst vor dir«, lautete sein Urteil. »Ich denke, ich werde sie von dir erlösen. Ich teile mein Reich mit niemandem.«
    Der Riese hatte das Gleichgewicht behalten, stand bis zu den Knien im Morast. Die dunkle Zunge leckte über die Lippen. »Mit dir stimmt was nicht, Bursche«, murmelte er – und verschwand. Die Löcher im Matsch, wo eben noch seine Beine gesteckt hatten, schlossen sich. Schmatzend strömte der Sumpf in die Hohlräume, als hätte es den Mann niemals gegeben.
    Wo ist er hin?
Autre grollte und duckte sich, packte den Stiel mit beiden Händen und witterte laut, um den Geruch des Riesen einzufangen. »Feigling!« Er konnte nicht verhindern, dass sich die Fangzähne vor Wut entblößten.
    »Oh, dachte ich es mir doch! Kann es sein«, sprach die Säuselstimme aus jedem Halm, »dass sie dich geschickt haben, um mich zu töten?«
    Er wusste nicht, wovon der Riese sprach. »Niemand schickt mich. Ich lebe hier«, erwiderte er knurrend. »Komm her! Ich hacke dir den Kopf mit deinem eigenen Beil entzwei!«
    Ein lautes Lachen brandete von allen Seiten auf ihn ein. »Nein, du bist kein gedungener Mörder! Der hätte sich geschickter angestellt als du!«
    Eine unsichtbare Hand legte sich von hinten um Autres Kinn, eine zweite in den Nacken. Den Ruck, der sein Genick brechen sollte, fing er ab, indem er sich einfach mitdrehte und dabei mit seiner ganzen Kraft zuschlug.
    Die Klinge traf!
    Unter der Wucht des Einschlags brach der Stiel. Es sah aus, als

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