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Judassohn

Titel: Judassohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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bin es: Tanguy!«
    »Mein Neffe ist tot, du übler Spaßvogel!«, rief Albert wütend. »Dir werde ich die Flügel stutzen.« Er stieß einen hohen Pfiff aus, und das Trappeln von Hundepfoten wurde hörbar.
    »Nein, ich
bin
es! Ich bin es, Grandpère!«, beschwichtigte Tanguy ihn. »Du hast immer zu mir gesagt, dass die Bretagne eines Tages ihre Unabhängigkeit wiedererlangen wird«, erinnerte er an die alten Zeiten, als sie gemeinsam gespielt hatten. »Wie damals, unter König Erispoe. Und an dem Tag, sagtest du, würdest du das Schloss wieder aufbauen, um ihm eine …«
    Albert trat ins Freie, packte ihn bei den Schultern und schaute ihm in die Augen. »Du bist es!«, sagte er verdutzt. »Bei Gott, du bist es!« Fest drückte er seinen Enkel an sich.
    Tanguy spürte die Wärme, die Wärme des Blutes, und sah die Halsschlagader seines Großvaters vor sich. Er müsste nur dieLippen etwas öffnen und zubeißen. Der Mann besaß Kraft, was wiederum guten, starken Lebenssaft bedeutete. Das Reisen hatte ihn angestrengt, und einen ordentlichen Schluck konnte er schon gebrauchen, um …
    Nein! Er ist dein Grandpère! Du stillst deinen Durst an einem anderen Ort.
    Albert hatte ihn aus seiner Umarmung entlassen und zog ihn ins Haus. »Komm! Du musst hungrig sein. Wie kannst du nur um diese Zeit noch reisen? Bei dem Wetter?«
    Tanguy folgte ihm und trat in die Stube, in der es warm und stickig war. Der Geruch von Torfrauch hatte sich im dunklen Gebälk niedergelassen, das letzte Essen musste eine Suppe gewesen sein.
    Linsen mit Speck.
    Am Tisch saßen vier Männer und zwei Frauen, die ihm zunickten. Sie tranken Wasser aus einfachen Bechern, auf denen grob das Wappen der Bretagne eingearbeitet war. Auf einem Brett lagen ein angeschnittener Laib Brot und mundgerechte Käsestückchen. Papiere und Pergamente stapelten sich vor ihnen, darunter auch sehr alte.
    »Du hast die Pläne zur Unabhängigkeit tatsächlich nicht aufgegeben?«, schloss Tanguy aus dem, was er sah. »Bist du bei einer Beweisführung für den König?«
    »Nur Spielereien.« Albert zog seinen Enkel weiter in die Küche und wollte ihm eine Schale von der Suppe reichen, die in einem Kessel auf dem Herd köchelte. »Setz dich und erzähle mir, warum es hieß, du seist tot? Dann leben Mariette, Gurvan und Pierrick wohl auch noch?«
    Tanguy lehnte das Mahl rasch ab. Ihm wurde eiskalt, die Schuld marterte seine Seele. Er hatte so lange vermeiden können, die Namen der geliebten Menschen zu hören, doch es gab kein Entkommen vor seiner Tat. Er presste die Lippen aufeinander, um nicht vor Schmerz aufzuschreien. Dabei hatte er so sehrgehofft, die Pein würde durch den Tod der Räuber weniger.
Ich kann meinem Gewissen nichts vormachen. Ich bin der wahre Schuldige
. Es dauerte einige Lidschläge, bis er sich gefasst hatte. »Nein«, sagte er zäh. »Sie sind … von … sie sind ermordet worden. Meine Verletzungen waren schlimm, aber ich habe überlebt. Das hat mancher wohl nicht erfahren.« Er setzte sich an den Küchentisch, auf dem eine Karaffe Wein und Gläser standen, und bat Albert neben sich. »Ich habe eine Frage, Grandpère.«
    »Glaub mir, dass ich meine Tochter beweint habe, aber ich konnte einfach nicht zur Beerdigung kommen, weil …«
    »Darum geht es mir nicht«, unterbrach er ihn.
    »Aber es ist so wichtig, dass du dich nach all der Zeit nachts auf den Weg machst, um zu mir nach Fougeray zu kommen.« Albert nahm nachdenklich die Karaffe und goss sich tiefroten Wein in eines der dickwandigen Gläser; die Farbe erinnerte an Blut. »Ich bin sehr gespannt, Enkel.«
    Wie fange ich es an? Wahrscheinlich denkt er, ich bin verrückt.
»Grandpère, hast du jemals etwas von einem Fluch gehört, der auf deiner Familie lastete? Oder auf der meiner Eltern?« Er ließ den Blick nicht vom wettergegerbten Gesicht seines Großvaters weichen, um jedes noch so kleine Zucken zu erkennen.
    Und wirklich verdüsterten sich Alberts Züge und verschlossen sich. Er trank sein Glas Wein unverzüglich leer und schenkte sich nach, schwenkte die rote, intensiv duftende Flüssigkeit darin, als könnte er daraus lesen.
    Er ringt mit sich!
    Tanguy wagte es nicht, ihn trotz der Aufregung und Ungeduld anzusprechen.
    Albert schüttete den Wein in sich hinein und goss sich nach. »Was ist geschehen?«, erkundigte er sich dumpf. »Gab es unerklärliche Morde?«
    »Du weißt von dem Fluch!«, platzte es aus Tanguy heraus. »Grandpère, ich …«
    »Nein, ich weiß nichts von irgendeinem Fluch«,

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