Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Judassohn

Titel: Judassohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
Vom Netzwerk:
durfte. Doch sie warnte mich immer, nicht allein in die Sümpfe zu ziehen. Vor allem nicht dann, wenn sie unterwegs war. Etwas würde darin hausen, was kein Riese und auch kein Loup-Garou wäre.«
    Tanguy lauschte gebannt.
    Sie wusste genau, was Szomor war.
    Ihn beschlich der Verdacht, dass sich der Hexer und seine Großmutter doch gekannt hatten.
    »Sie hat jeden gewarnt, auch deinen Vater«, erzählte Albert traurig. »Als er an dem Abend nicht vom Aalfang zurückkehrte, machte sie sich selbst auf, ihn zu suchen. So hatte ich sie in all den Jahren nicht erlebt.« Er rang nach Worten. »Eine wütende Herrscherin, so kam sie mir vor. Man sah sie an und erstarrte in Ehrfurcht vor ihrer Ausstrahlung. Sie war es auch, die mit dem Toten zurückkam.« Seine Stimme wurde brüchig. »Wir haben ihn … geköpft und …« Er sog die Luft ein und hob das Weinglas an den Mund. Zitternd trank er.
    Tanguy ließ ihn gewähren. »Meine Mutter sagte mir, dass mein Vater niemals gefunden worden wäre.«
    »Wir haben Mariette belogen. Wie hätten wir ihr sagen können, wie wir mit dem Toten umgesprungen sind? Die Asche deines Vaters bekam die Brière.« Albert redete mittlerweile undeutlicher. Der Wein. »Dabei hat ihn dieses Wesen ermordet. Der Anblick deines Vaters war … schrecklich. Überall steckten Nadeln in ihm, die Adern hatten sich verfärbt, und grünlicher Schaum stand vor …« Er würgte.
    »Gespickt wie ein Tier«, entfuhr es Tanguy halblaut; zu seiner Erleichterung hatte es sein Großvater nicht bemerkt. Er wusste die Beschreibung genau einzuordnen. Es machte ihn unglaublich wütend!
    Szomor, dieses niederträchtige Schwein! Er hat mich belogen. Er hat meinen Vater sehr wohl für seine Alchimie, für seine Experimente umgebracht!
    »
Sie bekniete mich, die Brière zu verlassen, was ich auch getan habe. Aber deine Mutter, Tanguy, weigerte sich plötzlich.« Albert lehnte sich nach hinten und starrte in die kleinen Flämmchen der Feuerstelle. »Ich konnte mit der Lüge nicht leben und gestand Mariette, was wir mit ihrem Mann getan hatten. Daraufhin wollte meine Tochter nichts mehr mit mir zu tun haben. Sie verzieh mir nicht, dass ich ihm ein christliches Begräbnis vorenthalten und sie um ihren Abschied betrogen hatte. Bald darauf verließ mich Charlotte.« Er schwieg und verlor sich in Gedanken an die Vergangenheit.
    Tanguy wusste nun mehr. Aber seinen Fluch wurde er trotz der neuen Erkenntnisse nicht los.
    Die einzige Person, die mir hätte helfen können, ist verschwunden.
    Aber Aufgeben kam nicht in Frage!
    »Grandpère, nenne mir nur einen Ort, von dem sie gesprochen hat«, bat er leise und berührte ihn an der Schulter. »Ich muss sie finden. Wohin wollte sie?«
    »Beograd«, gab Albert abwesend zur Antwort. »Oder so ähnlich. Davon sprach sie. Diese Stadt hatte sie als kleines Mädchen sehr beeindruckt, hat sie mir gesagt.«
    Damit hatte Tanguy ein neues Ziel auf seiner Jagd nach Erkenntnissen. Zuvor wollte er in die Brière zurückkehren und dem Mörder seines Vaters ganz besonders Lebewohl sagen.
    Durch seine Lügen sind all meine Schulden bei ihm aufgewogen. Ich werde ihn zur Rechenschaft ziehen und den Sumpf von seiner Herrschaft befreien. Die Menschen dürfen fortan ohne den Schrecken leben.
    Er erhob sich und küsste den alten Mann auf den weißen Schopf, der nach Suppe und Schweiß roch. »Ich werde sie suchen und finden, Grandpère, und zurückkommen, um dir zu berichten.«
    Albert stand auf und umarmte seinen Enkel. »Der Herr sei mit dir«, schluchzte er. »Er schütze dich und gebe dir seinen Beistand, damit du Charlotte findest und sich ein Weg auftut, dich von dem Fluch fernzuhalten.«
    Tanguy spürte den Kloß in seinem Hals. Doch außer der Rührung machte ihm der Durst zu schaffen. Durch die Nähe zu einem Menschen und zu den sichtbaren Adern wurde das Verlangen angefacht.
Die Haut, so dünn. Leicht zu durchbohren
. Er hörte das Pulsieren des Lebenssafts, roch ihn durch die Poren.
Ich will es schmecken! Jetzt!
Ein leichtes Ziehen breitete sich in den Schläfen aus, die Vorfreude schuf sanften Schwindel. Sanft, begehrend stießen die Fangzähne von innen gegen seine Lippen.
    NEIN! Ich muss los, bevor

    »Danke … danke, Grandpère.« Tanguy löste sich überstürzt und schüttelte ihm noch einmal die Hand, eilte durch die Stube. »Du hörst von mir!« Die Männer und Frauen dufteten für ihn plötzlich nach Nahrung. Ihre Herzschläge mischten sich zu einem Wummern, das anschwoll und ihn in

Weitere Kostenlose Bücher