Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Judassohn

Titel: Judassohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
Vom Netzwerk:
seinen Bann ziehen wollte. Leichte Beute zum Satttrinken.
    Sie haben es nicht verdient!
Er hetzte zur Tür hinaus und rannte die Straße entlang. Sobald er Fougeray hinter sich gelassen hatte, nutzte er seine vampirischen Kräfte, um schneller als ein galoppierendes Pferd zu reisen. Wassertropfen spritzten hinter seinen Sohlen hoch in die Luft.
    Tanguy wusste, wer es im Gegensatz zu den Freunden seines Großvaters verdient hatte zu sterben.
    Szomor! Du dreckiger, widerlicher Lügner!
    Er sah den Hexer vor seinem geistigen Auge, wie er in seinem Griff hing und um sein jämmerliches Leben flehte.
    Nein, so wird es nichts. Stell es schlau an
, rief er sich zur Ordnung.
Die Magie verleiht ihm starke Macht.
    Am einfachsten wäre es, wenn er Szomor überrumpeln würde: ansatzlos packen und ihn töten.
    Aber ich möchte, dass er für den Tod meines Vaters leidet!
    Tanguy raste dahin – und prallte in einem verschlafenen Weiler gegen ein massives, unsichtbares Hindernis.
    Er stürzte rücklings auf die wasserdurchtränkte Erde und musste vor Qualen losschreien, bevor er überhaupt verstanden hatte, woher die Schmerzen in seinem Fuß rührten. Stinkender schwarzer Qualm wallte aus dem Stiefel und hüllte ihn ein.
    Vor ihm verlief ein kleiner, unscheinbarer Wasserlauf, der kaum breiter als seine Elle war. Doch er besaß die Macht, ihn aufzuhalten. Tanguy hatte ihn schlicht übersehen.
    Nicht noch mal! Gott …
    Er wälzte sich umher, rutschte vom Rinnsal weg und zerrte an dem Schuh, um nach seinem Fuß zu sehen. Die Sohle hatte ein winziges Loch, durch das Wasser eingedrungen war. Eine verbrannte Stelle zog sich von den Zehen über den Fußrücken; unter dem vergehenden Fleisch schimmerten die weißen Knochen.
    Es war nicht ganz vergleichbar mit der Wirkung des Meerwassers, aber genügte, um ihn jegliche Beherrschung verlieren zu lassen. Er tobte, brüllte und fluchte.
    Dann roch er Menschen.
    Wie durch einen roten Schleier erkannte er Männer und Frauen hinter den erleuchteten Fenstern des Weilers.
    Gaffen mich an wie tumbe Tiere! Elende Bauern!
    Er grollte.
    Zwei Mutige hatten den Schutz der Häuser verlassen und kamen auf ihn zu, riefen ihm etwas zu, was er nicht verstand. Die Laternen in ihren Händen blendeten seine Augen und machten ihn noch gereizter.
    Wagt es nicht! Kehrt in eure Betten zurück! Verschwindet, denn hier erwartet euch nur der Tod!
    Erneut grollte er und hoffte, dass der Laut sie vertreiben würde. Aber der helle Schein näherte sich weiter. Und der Geruch von Lebendigkeit verstärkte sich.
    Der schwärende Durst übernahm mit Leichtigkeit die Kontrolle und befahl ihm, das Brennen in seinem Schlund zu löschen und die Trockenheit seiner Eingeweide zu beenden. Ganz gleich mit welchem Blut: Unschuldige, Schuldige, Frauen, Kinder … Es spielte keine Rolle. Er wollte Lebenssaft. Unverzüglich!
    Er sprang den Ersten mit einem Zischen an und riss ihn nieder, schlug die Zähne in den Hals. Als das Blut köstlich warm in seinen Mund schoss und sich der kupferne Geschmack wie Ambrosia am Gaumen verteilte, setzte sein Denken aus. Seine Hände wühlten sich durch feuchte Wärme, und er hörte von weitem Menschen vor Entsetzen aufschreien.
     
    ***

KAPITEL VI
     
Sommer 1782, Frankreich,
Süd-Bretagne, irgendwo in der Brière (Pays noir)
    Szomor saß am hintersten der großen Tische, umgeben von seinen Aufbauten, und grübelte aufgewühlt über den Formeln, die er auf dem obersten von unzähligen Blättern notiert hatte. Es
konnte
nicht sein, was ihm gelungen war. Die Gesetze der Alchimie und der Physik waren von der Mischung außer Kraft gesetzt worden.
    Unmöglich!
    »Sollte es jedoch kein Fehler von mir gewesen sein«, murmelte er vor sich hin und ging die Zahlen erneut durch, »dann wäre es zu schön.« Er unterdrückte den Triumphgedanken, der sich langsam in ihm ausbreitete.
Ruhig, ruhig. Wenn es doch nur eine Unachtsamkeit wäre, würde mich die Enttäuschung umbringen.
Szomor langte nach dem Federkiel, um mit einer vierten Berechnung zu beginnen.
So nahe war ich der Lösung noch nie.
Er musste absetzen, weil seine Hand vor Aufregung zu sehr zitterte.
    Die Alchimie war eine diffizile Sache und voller Tücke, sowohl was die Berechnungen als auch was die Materialien anging. Denn stimmten die Formeln, konnten mangelhafte Zutaten die Wirkung eines Trank oder einer Salbe immer noch zunichtemachen, manchmal sogar umkehren! Das hatte er des Öfteren zu spüren bekommen. Schmerzhaft und qualvoll.
    Szomor bekam

Weitere Kostenlose Bücher