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Judassohn

Titel: Judassohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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fiel Albert ihm ins Wort und setzte das Glas ab. »Nein,
ich
nicht«, fügte er mit einem abwesenden Flüstern hinzu.
    »Wer dann? Bitte, sag es mir! Was kann ich … gegen das Morden tun?«
    Albert atmete langsam aus. »Ich weiß es nicht.«
    »Aber du …«
    »Deine Großmutter, Tanguy.
Sie
wusste etwas. Sie hatte einmal zu mir gesagt, dass wir aufpassen müssten, was mit unseren Nachkommen geschieht, falls sie vor uns sterben sollten.« Albert schluckte, sein Gesicht war grau. »Sie sagte, dass sie als Revenants zurückkehren könnten und sich auf die Lebenden werfen würden, wenn wir ihnen nicht die Köpfe abschneiden und die Leichen zu Asche verbrennen.« Er trank wieder vom Wein, die Hand zitterte. »Du hättest sie und ihre Geschichten hören müssen, Tanguy. Sie meinte es ernst. Ich gab nichts darauf.« Er sah seinen Enkel an. »Hätte ich wohl besser getan. Deine Fragen zeigen mir, dass sie recht behalten hat.« Albert deutete auf das Beil, das in dem kleinen Hauklotz steckte, um Späne zum Feuerentzünden zu schlagen. »Ich komme mit dir nach Kerhinet und helfe dir dabei.«
    »Nicht nötig, Grandpère. Das schaffe ich allein.« Tanguy war einerseits erleichtert, endlich die Auslöserin für den Fluch gefunden zu haben. Doch die Anspannung wollte nicht weichen. Aus des Rätsels Lösung hatten sich viele weitere Fragen ergeben. Seine Großmutter vermochte ihm Antwort zu geben. »Wo ist Grandmère?«
    »Ich weiß es nicht. Vielleicht wieder in ihre Heimat gegangen.«
    Ich wusste nicht, dass sie keine Französin war.
    Tanguy wollte nicht aufgeben. Er war entschlossen, sie zu verfolgen, um noch mehr Wahrheiten zu erfahren. »Woher stammt sie?«
    »Aus irgendeinem Land, das weit entfernt liegt, tief im Osten, auf dem Balkan.«
    Das deckte sich mit Szomors Erzählungen. Über die Vampire und die Kinder des Judas.
Alles fügt sich!
    »Gott, hätte ich geahnt, dass diese Geschichte wahr ist!« Albert legte seine Hand auf Tanguys und quetschte sie. »Du wirst es sicherlich alleine schaffen?«
    »Ja«, presste er heraus.
Ich bin also Vampir geworden, weil meine Großmutter eine Judastochter ist. Und ihr droht das gleiche Schicksal nach dem Ableben wie mir.
    »Erwähnte sie eine Möglichkeit, den Fluch zu brechen?«, fragte Tanguy heiser. »Es könnte mich gleichermaßen treffen, wenn ich sterben würde. Und das will ich nicht.«
    Albert dachte nach. »Es ist schon so lange her. Sie hat mich verlassen, nachdem ich nach Fougeray gezogen bin.« Er räusperte sich. »Hat man noch etwas vom Riesen in der Brière gehört, oder ist die Legende gestorben?«
    Der Tonfall verriet, dass er etwas über Szomor wusste.
    Noch mehr Geheimnisse, die ich erkunden muss?
Seine ständige Anspannung war gerechtfertigt gewesen. Nach Monaten des Irrens und Suchens enthüllte dieser einzige Abend so vieles. Tanguy legte seine Hand auf die des Großvaters und suchte seinen Blick. »Erzähle mir jede Kleinigkeit, was dir seltsam am Leben mit Grandmère erschien«, bat er inständig. »Das kann mir helfen. Bitte!«
    Es pochte gegen die Tür, die gleich darauf geöffnet wurde. Eine Frau steckte den Kopf herein. »Verzeih die Störung, Albert, aber wir brauchen dich wieder bei uns am Tisch«, sagte sie freundlich.
    »Später«, erwiderte Tanguy ungehalten.
    »Langsam, junger Mann.« Sie sah ihn maßregelnd an. »Ich denke, dass …«
    »Später, Weib!«, rief Tanguy und senkte die Stimme zu einem Grollen, was sie fluchtartig verschwinden ließ. Albert wollte sichein weiteres Mal Wein einschenken, aber Tanguy hielt die Karaffe fest. »Nicht. Sonst macht dich der Alkohol schläfrig.«
    »Deine Grandmère war eine wunderschöne Frau, mit beeindruckenden Augen, von schlankem Wuchs, wenn auch ein wenig zierlich. Ich weiß nicht, ob du dich so genau an sie erinnern kannst.« Er seufzte vor Gram. Der Verlust machte ihm noch immer zu schaffen. »Sie hat mich gefunden, wie ich immer sage. Bei einem der Salzfeste. Ihr anmutiger und zugleich leidenschaftlicher Tanz hat jeden Mann in ihren Bann geschlagen. Sie hätte sich einen Adligen nehmen können und ein Leben in Überfluss führen. Aber sie erwählte mich. Einen einfachen Schilfbauern«, sagte er lächelnd. »Die Brière hat sie immer gehasst. Sie zog nur meinetwegen dorthin. Wir hatten eine schöne Zeit, voller Arbeit und Anerkennung. Sie reiste sehr viel, um mit ihrem Tanz zusätzliche Livres zu verdienen. Unser Auskommen war gut, und unsere Leidenschaft übertraf alles, was ich vor ihr kennenlernen

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